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Morgenlied - Roman

Morgenlied - Roman

Titel: Morgenlied - Roman
Autoren: Random House
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einem hauchdünnen Film Cream Cheese bedeckte. Dann nahm sie einen Bissen, der höchstens aus einem halben Dutzend Krümeln bestand.
    »Vielleicht solltest du dein Essen nur auf Fotos anschauen, statt dir so viel Mühe zu machen.« Als sie nur lächelte und einen weiteren winzigen Bissen nahm, fuhr er fort: »Ich habe gesehen, wie Twisse meine Freunde getötet hat. Ich habe es unzählige Male, auf unzählige Arten gesehen.«
    Sie blickte ihn an. »Das ist das Schlimme an unserer Gabe. Wir sehen die Möglichkeiten sozusagen in Technicolor. Ich hatte auf der Lichtung Angst, das
Ritual durchzuführen. Nicht weil ich fürchtete zu sterben, obwohl ich nicht sterben will. Ich bin sogar strikt dagegen. Nein, ich hatte Angst davor, am Leben zu bleiben und zusehen zu müssen, wie die Menschen, die mir am nächsten stehen, sterben, und dafür verantwortlich zu sein.«
    »Aber du bist trotzdem mitgekommen.«
    »Ja, wir sind ja alle hingegangen.« Sie knabberte an einem Stück Apfel. »Und wir sind nicht gestorben. Nicht alle Träume, nicht alle Visionen werden... Wirklichkeit. Und du kommst zurück, an jeder Sieben kommst du zurück.«
    »Wir haben einen Eid geschworen.«
    »Ja, als ihr zehn wart. Die meisten Schwüre unter Kindern sind nichts wert, aber ihr kommt immer wieder zusammen. Ich bin ja auch wegen Quinn hier, deshalb weiß ich, was Freundschaft wert ist. Aber du und ich, wir sind nicht wie sie.«
    »Nein?«
    »Nein.« Langsam trank sie einen Schluck Kaffee. »Die Stadt, die Leute hier, das hat mit uns nichts zu tun. Für Cal und Fox - und mittlerweile auch für Quinn und Layla - ist das hier Heimat. Für mich aber ist Hawkins Hollow nur ein Ort, an dem ich zufällig bin. Quinn ist mein Zuhause und mittlerweile Layla auch. Cal, Fox und du, ihr gehört natürlich auch dazu. Ich verlasse mein Zuhause nicht, bevor es nicht in Sicherheit ist. Andererseits finde ich das Ganze zwar faszinierend, aber ich würde kein Blut dafür vergießen.«
    Die Sonne schien ins Fenster, und die kleinen Silberringe
an ihren Ohren glitzerten. »Das glaube ich aber doch«, sagte Gage.
    »Ach ja?«
    »Ja, weil dich die ganze Angelegenheit wütend macht.«
    Sie nahm einen weiteren winzigen Bissen von ihrem Bagel und lächelte ihn an. »Erwischt. Hier sitzen wir also, Turner, wir zwei unruhigen Geister, und müssen aus Liebe zu unseren Freunden hierbleiben. Na ja. Ich muss jetzt duschen«, beschloss sie. »Macht es dir etwas aus, wenn du wenigstens noch so lange bleibst, bis Quinn und Cal zurück sind? Seit Layla die Schlangen im Badezimmer hatte, habe ich ein bisschen Schiss zu duschen, wenn ich alleine im Haus bin.«
    »Kein Problem. Isst du das noch?«
    Cybil schob ihm das unberührte Viertel Bagel zu. Als sie aufstand, um am Spülbecken ihre Tasse auszuspülen, betrachtete er den schwarzblauen Fleck hinten auf ihrer Schulter. Er dachte daran, dass sie in der Vollmondnacht am Heidenstein beide einiges abbekommen hatten und dass ihre Verletzungen - im Gegensatz zu denen von Cal, Fox und ihm - nicht innerhalb kürzester Zeit heilten.
    »Na, das ist aber ein ordentlicher Bluterguss auf deiner Schulter.«
    Achselzuckend erwiderte sie: »Du solltest erst mal meinen Hintern sehen.«
    »Okay.«
    Lachend warf sie ihm einen Blick zu. »Das war rhetorisch gemeint. Meine Nanny hat fest daran geglaubt, dass
eine ordentliche Tracht Prügel den Charakter festigt. Immer wenn ich mich setze, muss ich an sie denken.«
    »Du hattest eine Nanny?«
    »Ja. Aber ich stelle mir lieber vor, dass ich für meinen Charakter ganz alleine verantwortlich bin. Cal und Quinn kommen bestimmt gleich wieder. Du kochst besser noch eine Kanne Kaffee.«
    Als sie hinausging, betrachtete er ihren Hintern. Sehr hübsch, dachte er. Sie war eine interessante und komplizierte Mischung in äußerst attraktiver Verpackung. Wenn es um Spaß und Spiele ging, dann bevorzugte er schlichtere Gemüter, aber wenn es um Leben und Tod ging, war Cybil Kinski genau das, was der Arzt verschreiben würde.
    Sie hatte zu ihrem Ausflug zum Heidenstein eine Pistole mitgebracht. Eine kleine.22 mit Perlmuttgriff, die sie mit kaltem Kalkül und äußerst gekonnt einsetzte. Sie hatte die Recherche über die Blutrituale übernommen, und sie hatte auch die genealogische Forschungsarbeit geleistet, mit der sie bewiesen hatte, dass sie, Quinn und Layla von Lazarus Twisse und Hester Deale abstammten, dem Mädchen, das er vor über dreihundert Jahren vergewaltigt hatte.
    Und die Frau konnte kochen. Zwar ließ sie
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