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Morgen letzter Tag!

Morgen letzter Tag!

Titel: Morgen letzter Tag!
Autoren: C Süß
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lang Langeweile. Und dann kam der Sex.
    Sicher, man könnte einwenden, dass man nicht zwei Geschlechter braucht, um guten, » sinnvollen« Sex zu haben. (Oft hören sich die Biologen und der Vatikan da schon recht ähnlich an.) Man denke nur an den Sex von Homosexuellen. Ist ja auch lustvoll und damit sinnvoll. Denn der Sinn von Sex muss ja nicht die Reproduktion von Leben sein. Und tatsächlich ist er das auch fast nie. Auch bei Heteros nicht. Es geht bei Sex um Lust, Geilheit, Macht, Geben und Nehmen, Dominanz und Unterwerfung. Spielen. Harmonie. Die Illusion der Erfüllung von Phantasien. So Sachen. Dass dabei auch Kinder herauskommen, ist sogar oft eher eine mitunter unerfreuliche Überraschung für die Akteure. Da war man mal nett vögeln, und schon ist wer schwanger.
    Ärgerlich.
    Nur, in einer Welt, die auf das Geschlecht nicht mehr angewiesen ist, würde die Basis, » der Trieb«, wenn schon nicht verloren gehen, dann doch zumindest eine radikale Veränderung erfahren. Wieder ein Bereich des Daseins, der in den Möglichkeitsraum übergeht. Man könnte also in einer solchen angenommenen Zukunft dieses oder jenes Geschlecht annehmen. Auch mal wechseln. Freilich könnte das lustig sein. Vielleicht würde dann auch der schon eine gefühlte Ewigkeit tobende Geschlechterkrieg ein Ende finden.
    Aber es gäbe keine Kinder mehr. Oder doch zumindest deutlich weniger, denn alle Plätze wären ja von den Langlebigen besetzt. Doch ohne die Pflicht, Kindern bei ihrer Personwerdung beizustehen, gäbe es auch keinen Grund mehr, wirklich erwachsen zu werden. Man müsste sich nicht entwickeln. Sicher, man könnte. Aber mal ehrlich, wer tut schon freiwillig etwas wirklich Anstrengendes?
    Und genau diese Entwicklung der Nicht-Entwicklung entwickelt sich ja seit Langem in der » entwickelten Welt«. Viele haben deutlich lieber einen Hund statt ein Kind, denn Hunde bleiben » Kleinkinder«. Sie entwickeln sich nur so minimal, dass sie ihren Besitzern keine große Veränderung aufzwingen. Im Gegensatz zu echten Kindern. Doch eine Gesellschaft mit einem statischen Bewusstsein, bis ins letzte Ganglion von Narzissmus erfüllt, die dann auch nicht stirbt, die muss sich darauf vorbereiten, den Raum der totalen Sinnlosigkeit zu betreten.
    Schön, oder?
    Vielleicht ist das ja sogar der Grund, warum wir keinen Kontakt zu uns überlegenen außerirdischen Intelligenzen aufnehmen können. Es gibt keine, weil jede Zivilisation, die es geschafft hat, sich wirklich durch den Flaschenhals von Energiekrise, Bevölkerungswachstum und brandgefährlicher unverstandener Technologie, der uns jetzt bevorsteht, hindurch zu entwickeln, jede Entwicklung eingestellt hat, weil danach nur noch das Nichts kommt. Das wäre ja dumm.
    (Anmerkung: Vielleicht reden aber auch keine Außerirdischen mit uns, falls sich die oben angedeutete Zukunft des downgeloadeten Daseins auf der Festplatte schon verwirklicht hat, weil sie nur noch mit sich selbst beschäftigt sind.)

Schluss – Und jetzt?
    Die Frage ist nun also, was ist mit diesen » Erkenntnissen«, die ich hier bislang für Sie im Angebot hatte, anzufangen? Nun, mein Blick auf die Welt ist der des Humoristen. Was aber tut er nun, dieser Humor? Wofür ist er gut? Humor schafft Distanz. Man sieht die Welt mit Abstand, ein nicht enden wollendes Gewusel aus Schubsen und Geschubst-werden, und man muss über die sinnlosen Bemühungen um Selbstbehauptung der Schubsenden und Geschubsten grinsen. Auch und besonders über sich selbst. Diese Distanz aber, die der Blick des Humors verleiht, verhilft einem nicht zu einer sicheren Position. Denn es ist ja nur der Blick, der auf Abstand geht. Der Körper aber verweilt unterdessen in der Gefahrenzone des Sozialen. Der humoristische Abstand schützt also nur den imaginären Raum des fiktiven eigenen » Selbst«. Doch immer ist ihm die prekäre Lage des Materiekörpers und dessen Fragilität bewusst.
    Das Fatalistische der humoristischen Lebenshaltung aber schreckt ab. Denn der Blick des Humoristen weiß zwar um die ständige Veränderung der Welt, doch ebenso weiß er, dass er sie nicht bewirkt. Wir bewegen nicht die Welt, sondern wir werden von der Welt bewegt, lautet das Credo des Komikers. Eine Revolution ist mit so einer Geisteshaltung nicht möglich. Oder wenn doch, dann nur unter dem guten alten Sponti-Motto: » Du hast keine Chance– nutze sie!«
    Kein Wunder, dass in allen Gesellschaften, in denen das erste erklärte Ziel die Beglückung derselben mittels
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