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Morgen komm ich später rein

Titel: Morgen komm ich später rein
Autoren: Markus Albers
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zu spät kommt.
    Vermissen Sie das soziale Umfeld des Büros?
    Schriefer: Eigentlich überhaupt nicht. Sicher gab es auch mal nette Situationen im Büro. Aber ist denn der Job dafür da, einem ein Sozialleben
     zu bieten? Bis zu einem gewissen Grad sicher, aber ich würde das doch eher trennen. Das Soziale sollte im Privatleben stattfinden
     und der Job ist für berufliche Kontakte da, die die Firma oder den aktuellen Auftrag weiterbringen.
     
    Natürlich ist die Kündigung ein radikaler Schritt, der in der Regel gar nicht notwendig ist. Für die meisten Angestellten
     empfiehlt sich eine offene – wenn auch strategisch vorbereitete – Verhandlung |223| mit dem Arbeitgeber über mehr Freiheit und Flexibilität, wie das folgende Beispiel zeigt. Auch Hanna Gossen war verzweifelt.
     Ihr Job als Brand-Managerin großer Kosmetikmarken machte ihr sehr viel Spaß. Sie mochte ihre Kollegen, kam mit dem Chef gut
     zurecht, wurde für ihr Engagement gelobt. Eigentlich war also alles perfekt. Wäre sie nur nicht in diesen jungen Mann aus
     der anderen Stadt verliebt. Hannas Firma ist in Hamburg, ihr Freund aber zog nach Berlin. Beide arbeiteten viel, sahen sich
     kaum noch. »Ich bin total durchgedreht«, erinnert sie sich heute an diese Zeit. »Zwei Monate lang dachte ich immer nur: Ich
     muss kündigen! Mir war überhaupt nicht klar, dass es irgendeine Möglichkeit geben könnte zu bleiben. Dabei hänge ich doch
     so an meinem Job.«
    Immer weiter schob die 28-Jährige das unabwendbare Gespräch mit dem Chef hinaus, bis sie sich schließlich ein Herz fasste.
     Sie dachte, sie führte gerade ein Kündigungsgespräch. Doch Hannas Chef reagierte verblüffend entspannt. Er wollte seine hervorragende
     Mitarbeiterin nicht verlieren, erkannte ihr Dilemma und bot spontan und souverän an, sie könne doch zwei Tage pro Woche aus
     Berlin arbeiten. Hanna bekäme ein Homeoffice eingerichtet und ein Laptop für unterwegs, Telefonate würden auf ihr Diensthandy
     umgeleitet – alles kein Thema heutzutage. Das Gespräch dauerte gerade mal eine halbe Stunde. Hanna war perplex: So schnell
     konnte sich ein scheinbar riesiges Problem lösen, wenn man nur mal den Mut hatte, mit Vorgesetzten darüber zu sprechen.
    Von nun an arbeitete Hanna drei Tage in Hamburg und zwei in Berlin. Per sicherer VPN-Verbindung und DSL-Leitung wählte sie
     sich aufs Firmennetzwerk ein. Kommuniziert wurde in erster Linie per E-Mail. »Auf meinem Bildschirm zu Hause sehe ich dasselbe
     wie auf dem Computer im Büro.« Sie war nach wie vor immer erreichbar, »nur dass ich manchmal eben nicht im Büro sitze«. Lieferanten
     und Kunden, die anrufen, merkten nicht, in welcher Stadt sie sich gerade aufhielt.
    Als die Beziehung zu dem Berliner endet, entscheidet Hanna ­Gossen darum, die flexible Arbeitsweise beizubehalten. Derzeit
     arbeitet sie grundsätzlich freitags von zu Hause aus. »Letztendlich |224| bin ich total glücklich darüber, dass alles so kam. Die Regelung ist für beide Seiten positiv, ich profitiere davon und mein
     Arbeitgeber auch.« Zwei ihrer Kolleginnen arbeiten inzwischen ähnlich mobil wie sie, andere haben es ebenfalls vor, »weil
     man so wirklich unheimlich viel schafft. Und für Kolleginnen, die einmal Kinder haben wollen, ist es sowieso ideal.«

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Was die Experten empfehlen
    Wenn man also – was für die meisten deutschen Arbeitnehmer gelten dürfte – nicht in einem der wenigen vorbildlichen Unternehmen
     arbeitet, in denen die Easy Economy bereits funktioniert, gibt es eine zentrale Erkenntnis: Der wichtigste Schritt auf dem
     Weg zu mehr Freiheit als Festangestellter ist, den ersten Schritt überhaupt erst zu machen: das Thema Zeitsouveränität, mobiles
     und flexibles Arbeiten gegenüber dem Vorgesetzten ansprechen und gegenüber den Kollegen verteidigen. Was die beste Art angeht,
     sein bisheriges Berufsleben derart radikal auf den Kopf zu stellen, empfehlen die einschlägigen Experten durchaus ähnliche
     Strategien: die Effizienz steigern, sich möglichst unentbehrlich machen, schrittweise vorgehen, die eigene Einstellung zu
     Arbeit und Zeit ändern und auch mit Vorgesetzten und Kollegen darüber sprechen, sowie schließlich – wenn all das nichts fruchten
     sollte – auch bereit sein zu kündigen.
    Für die meisten dürfte der gangbarste Weg sein, dem Chef eine widerrufbare Testphase vorzuschlagen, zum Beispiel zwei Wochen
     lang zwei Tage pro Woche von zu Hause aus zu arbeiten. Die
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