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Morgen ist der Tag nach gestern

Morgen ist der Tag nach gestern

Titel: Morgen ist der Tag nach gestern
Autoren: Mechtild Borrmann
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habe ich von meinem Zimmer aus nicht gesehen.“
    „So eine gottverdammte Schweinerei!“ Sie lässt den Gummipfropfen ihres Stockes auf den Boden fallen. Die Gardine wackelt noch einen Augenblick unentschlossen über das Fensterglas. Dann hat sie ihren Faltenwurf gefunden und versperrt den Blick auf die mit Ruß verfärbte Wäsche.
    Frank setzt sich auf einen der massiven Küchenstühle mit ausgeschnittenem Herz in der Rückenlehne. Die Hände in den Schoß gelegt, starrt er die malvenfarbene Tischdecke an. Sie schimpft weiter: „Du Nichtsnutz …“
    Hie und da entdeckt er Fäden in dem Tuch, die blasser sind als andere, und auch welche, die fast lila glänzen. Er taxiert die Abstände der mangelhaften Stellen und versucht herauszufinden, ob es regelmäßige Fehler sind, oder ob sie wahllos auftauchen. In der Mitte des Tisches steht eine Menage. Er hebt sie an, um das Tischtuch auch an dieser Stelle zu inspizieren.
    „Du arbeitsscheuer Kerl. Die Wäsche kriege ich nie wieder sauber. Da rackert man sich ab, um den gnädigen Herrn Sohn durchzufüttern und du bist nicht mal in der Lage, die Wäsche abzunehmen.“
    Frank kann kein Muster in der Unregelmäßigkeit erkennen. Scheinbar weisen die Fäden nur sporadisch diese Farbfehler auf, wie Pigmentstörungen der Haut oder Leberflecken.
    Mutters Ton verändert sich, er bekommt jetzt diesen jammernden Singsang.
    „Das muss der Horstmann mir ersetzen. Gegen so was wird der ja versichert sein. Das ist Wäsche im Wert von mindestens dreihundert Euro. Auf den Kosten kann ich doch nicht sitzen bleiben.“
    Frank starrt unverwandt auf das fehlerhafte Tischtuch. Mutter hat auch Pigmentstörungen. Und Leberflecken. Auf den Händen und Armen und an der Schläfe. Auch ihre Brüste haben Leberflecken. Sie liegen auf der Haut, erheben sich wie kleine Beulen. Neben dem Hof ihrer linken Brustwarze hat sie einen von der Größe eines Eineurostückes.
    „Weiß der Horstmann überhaupt schon Bescheid? Weiß der, dass sein Sommerhaus abgebrannt ist?“ Sie schlägt mit der flachen Hand auf den Tisch. Wieder brüllt sie los.
    „Hast du ihn angerufen? Schließlich bezahlt er dich dafür, dass du dich um Haus und Garten kümmerst. Hast du ihm Bescheid gesagt?“
    Frank schüttelt den Kopf.
    Vielleicht folgen die kurzen, zu stark eingefärbten Fadenstücke in einem bestimmten Abstand den blassen Stücken. Das könnte es sein. Beim Einfärben des Fadens hat die Maschine ungleichmäßig gearbeitet und immer, wenn sie zu wenig Farbe abgegeben hat, wurde der Fehler automatisch korrigiert, indem die gesparte Farbe an einer anderen Stelle des Fadens zusätzlich abgegeben wurde. Der Fehler wurde mit einem anderen Fehler berichtigt. Ja, so muss es gewesen sein.
    Mutter sammelt Zigaretten und Feuerzeug vom Küchenschrank und greift nach den Autoschlüsseln. „Du kümmerst dich gefälligst um die Wäsche und rufst den Horstmann an. Ich muss los.“ Sie humpelt in den Flur zurück.
    „Mutter, es tut mir leid.“ Frank spürt, wie die Worte blass und tonlos aus ihm herausfallen. Er beißt sich auf die Unterlippe, spürt Übelkeit in der Kehle aufsteigen. Er schluckt. Seine Fingernägel graben sich in die Handballen.
    An der Haustür lacht sie höhnisch auf und äfft seinen Tonfall nach. „Es tut mir leid! Es tut mir leid!“

    5
    Steeg hat seine letzten beiden Zeugen in der Sache „Schusswechsel am Bahnhof“ verhört. Ohne Ergebnis, wie er es schon geahnt hatte. Trotzdem ist er wütend und lässt, kaum dass er Böhms Büro betreten hat, Schimpftiraden ab. „Die gehören alle hinter Gitter. Die sind doch ganz anderes gewohnt, da, wo die herkommen. Die lachen doch über unser Rechtssystem. Die gehören einfach nach Hause geschickt, verstehst du? Wenn wir denen damit drohen könnten, dann würden die alle singen wie die Lerchen, da kannst du Gift drauf nehmen!“
    Mit großen Schritten, die Fäuste tief in die Taschen seiner Jeans vergraben, läuft er vor dem Schreibtisch seines Chefs auf und ab. Vier Schritte in Richtung Tür, vier Schritte in Richtung Fenster.
    Böhm folgt ihm mit den Augen, die, über den Rand der Nickelbrille hinweg, von rechts nach links wandern.
    „Ich hab die beiden auf dem Flur gesehen. Wie alt sind die?“
    Steeg hält am Fenster inne und dreht sich um. Er lehnt sich an den kleinen Wandvorsprung zwischen den beiden Fenstern.
    „Fünfzehn und sechzehn. Das ist es ja! Verstehst du? Was die wohl drauf haben, wenn die erst mal zwanzig sind!“
    „Findest du nicht, dass
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