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Morgen ist der Tag nach gestern

Morgen ist der Tag nach gestern

Titel: Morgen ist der Tag nach gestern
Autoren: Mechtild Borrmann
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in eine Krise geraten. Er fühlte sich an dem Tod des letzten Opfers schuldig, weil er es aus den Augen verloren hatte. Steeg hatte sich um ihn gekümmert. Eine Tatsache, die bei allen Kollegen Erstaunen hervorgerufen hatte.
    „Lasst uns anfangen, ja?“
    Böhm schaut die beiden über den Rand seiner Nickel-brille an.
    Steeg rutscht mit dem Stuhl vor.
    „Ich bin noch an der Schießerei in Emmerich dran. Für heute hab ich noch zwei Zeugen vorgeladen, aber viel Hoffnung mach ich mir nicht. Das sind alles Polen und Russen, die halten dicht. Immer wenn es konkret wird, verstehen die auf einmal kein Deutsch mehr, oder können sich nicht erinnern. Wenn man denen glaubt, hatte keiner eine Waffe, und den Schuss hat der liebe Gott abgefeuert. Am liebsten würde ich da eine Hausdurchsuchung nach der anderen machen.“
    Böhm nickt.
    „Ist denn der Waffentyp inzwischen geklärt?“
    „Eine dreiunddreißiger Beretta. Ist hier bisher nicht aufgetaucht. Wir haben die Daten ans BKA gegeben.“
    Joop steht auf und bringt seine Tasse zum Spülbecken.
    „Ich habe um zehn Uhr den Termin in Krefeld. Der unbekannte Tote in dem Weiher. So wie es aussieht, könnte es sich um den Vermissten aus Elten handeln. Sieht nach Selbstmord aus. Tod durch Ertrinken. Jedenfalls hat die Gerichtsmedizin keine Spuren von Gewalteinwirkung gefunden. Der DNA-Test ist noch abzuwarten, aber die Reste der Kleidung, die Uhr und der Ohrring passen.“
    Joop schiebt die Hände in die Taschen seiner weiten, orangefarbenen Leinenhose. „Wieso fährt einer nach Krefeld um zu sterben?“
    Böhm nimmt den letzten Schluck Kaffee aus der Tasse.
    „Wie verzweifelt muss man sein, wenn man irgendwo hinreist, um sich dort in einem seichten Gewässer zu ertränken? Diese Kraftanstrengung! Wo kommt diese Energie her, wenn man doch keinen Lebenswillen mehr hat?“
    Steeg spült den letzten Bissen des Brötchens mit Kaffee hinunter. „Vielleicht wollte er einfach nicht in Elten sterben. Egal wo, nur nicht in Elten!“
    Böhm lehnt sich in den Schreibtischstuhl zurück und verschränkt die Hände im Nacken unter dem grauen Haarkranz. Das schwarze Polo-Shirt spannt über der Brust.
    „Ja vielleicht. Wir werden es nicht herausfinden!“
    Er dreht sich seinem Bildschirm zu. „Aktuelles haben wir nicht. Heute Morgen hat es ein Feuer in Ness gegeben. Die Feuerwehr und das Technische Hilfswerk sind noch vor Ort. Sieht nach erheblichem Sachschaden aus. Ein umgebauter Hof, der aber eher wie ein Sommerhaus genutzt wurde. Ist als Zweitwohnsitz angemeldet, auf einen Gustav Horstmann. Die Brandursache wird zurzeit geklärt.“
    Er beugt sich vor.
    „Ich bin ab zehn in der Staatsanwaltschaft zu erreichen. Es geht noch mal um die Beweislage im Fall Schuck. Die Becker meint, es reicht nur für eine Anklage auf Totschlag und der Rechtsanwalt will sich auf Totschlag im Affekt einigen.“
    Steeg springt auf.
    „Toll. Der hatte das geplant, das hat er doch zugegeben. Scheiße! Von wegen Totschlag im Affekt. Immer diese hinterfotzigen Spielchen von diesen Rechtsverdrehern.“
    Joop legt ihm eine Hand auf die Schulter und grinst ihn an.
    „Achim, reg dich nicht auf. Wir können es sowieso nicht ändern, ne!“
    Steeg sieht ihn einen Augenblick lang zornig an. Dann entspannt er sich.
    „Hau endlich ab. Mit deinem ollen Benz brauchst du doch mindestens zwei Stunden bis Krefeld!“

    4
    Eilig zieht er sich an. Wieder brüllt sie die Treppe herauf:
    „Frank, komm sofort herunter. Auf der Stelle!“ Sie ruft mit diesem hohen Ton, und er weiß, wenn sie noch einmal rufen muss, überschlägt sich ihre Stimme und das A in Frank wird zweistimmig wie bei einer Obertonsängerin.
    Barfuß, den Reißverschluss seiner Shorts auf der oberen Treppe schließend, läuft er ihr entgegen.
    „Das Feuer! Bei Horstmann! Sag mir nicht, dass du das nicht bemerkt hast! Warum hast du mich nicht geweckt?“
    Er sieht, dass sie unter dem Make-up zornesrot ist. Das hellblaue Leinenkleid hat er gestern erst gebügelt. Es wirft Spannfalten über den Hüften.
    „Ich wollte dir Bescheid sagen, aber du hast so fest geschlafen …“
    „Lüg mich nicht an! Du hast seelenruhig zugesehen und die Wäsche einfach hängen lassen. Komm mit!“ Sie stützt sich schwer auf den Gehstock und hinkt den schmalen Flur entlang in die Küche. Mit dem Ende der Krücke schiebt sie die Gardine zur Seite und funkelt ihn wütend an. Vor dem Küchenfenster hängen Bettlaken und Handtücher in traurigem Grau. Er senkt den Kopf.
    „Die
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