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Mordwoche (German Edition)

Mordwoche (German Edition)

Titel: Mordwoche (German Edition)
Autoren: Sabine Wierlemann
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ruhig leisten konnten. Valentina würde er in die teuersten Boutiquen zum Einkaufen schicken. Er lächelte seiner Frau zu, die etwas gequält die Augen verdrehte, weil ihr das Warten zu lang wurde.
     
    „Schatz, hast du mal ein Taschentuch?“ Gerda König schaute ihren Mann verwundert an. Wurde ihr Otto etwa sentimental? So nahe hatten sie Karl Merz jetzt auch nicht gestanden. Die meisten Leuten in der Aussegnungshalle fühlten wohl ähnlich, nur in der ersten Reihe hatte sich der Taschentuch-Verbrauch vor allem während der Musikstücke enorm gesteigert. Otto König bemerkte den fragenden Blick seiner Frau. „Mir ist nur so warm, hier drin sind einfach zu viele Leute.“ Er nahm seiner Frau das Taschentuch aus der Hand und wischte sich die kleinen Schweißperlen ab, die sich auf seiner Glatze gebildet hatten. Gerda König flüsterte ihm zu: „Mir reicht es auch, ich kann schon nicht mehr stehen. Hoffentlich sind die Musiker bald fertig.“
     
    Das hätte Elfi Merz sicher nicht gedacht, dass sie diesen Tag nicht miterleben würde, überlegte Alex. Sie hatte Susannes Mutter zwar nur sehr flüchtig kennengelernt, aber dass jede ihrer Gesten berechnend gewesen war, das war ihr sofort aufgefallen. Sie war oberflächlich bis zur Selbstaufgabe gewesen, das war Alex klar geworden, als Elfi an Heilig Abend ihr wahres Gesicht gezeigt hatte. Wie hätte Susannes Mutter diesen Tag wohl erlebt? Wäre sie hier zwischen ihren Töchtern gesessen und hätte die trauernde Witwe gegeben und hätte sie sich und die anderen damit getröstet, dass Karl jetzt von seinen Schmerzen befreit sei? Es war schon eine Ironie des Schicksals, dass Elfi dieser Triumpf nicht vergönnt war. Vielleicht gab es doch so etwas wie eine höhere Gerechtigkeit.
    Alex war trotz allem froh, dass sie Susanne nach Hause begleitet und ihre Familie kennengelernt hatte. Auch wenn diese jetzt ganz anders aussah als noch vor einer Woche. Jetzt würden sie und das Baby Susannes Familie sein. Alex legte den Arm um ihre Frau, die gerade von heftigem Schluchzen geschüttelt wurde.
     
    Stefano Zanolla hatte seinen Posten bezogen. Durch das Fernrohr seines Gewehrs hatte er die kleine Friedhofskapelle gut im Blick. Der Platz hier war ideal. Adriano hatte eine gute Wahl getroffen. Er hatte eine optimale Schussposition, der Winkel leicht nach unten und die Entfernung war weit genug, um ungesehen zu bleiben, aber nah genug, um ein zufriedenstellendes Ergebnis abliefern zu können. Hoffentlich hatte er auch eine gute Sicht, wenn der Trauerzug am Grab war. Der Sizilianer sah auf die Uhr und fluchte leise vor sich hin. Die Feierlichkeiten zogen sich in die Länge. Adriano hatte doch extra gesagt, dass keine Messe gelesen werden würde. Was machten die denn so lange da drin? Stefano hatte gesehen, dass immer noch mehr Menschen in die kleine Kapelle geströmt waren. Diese Menschenmasse war eine echte Herausforderung für ihn. Schließlich musste er in der Masse der Trauergäste sein Opfer ausmachen und es wurde immer dämmriger. Wenn der Trauerzug sich nicht langsam in Richtung Grab auf den Weg machen würde, dann würde er im Dunkeln schießen müssen. Immerhin konnte er davon ausgehen, dass seine Zielperson dem Toten ziemlich nahe stand deshalb auch direkt hinter dem Sarg laufen würde. Das machte die Sache wenigstens ein bisschen leichter. Der Italiener zog noch einmal die Hälfte des Fotos, die er sich abgerissen hatte, aus der Jackentasche. Das Opfer war eindeutig markiert und der Name war deutlich darunter geschrieben. Stefano prägte sich die Züge der Person zum wiederholten Male ein.
     
    Als die Trauergesellschaft sich erhoben hatte, um dem Toten das letzte Geleit zu seinem Grab zu geben, stieß Gerda König ihren Mann in die Seite. „Du Otto, die Tochter vom Merz, ist die mit einer Frau zusammen?“ „Sieht so aus. Das ist heutzutage aber völlig normal, Schatz. Eine Ehe wie unsere ist doch schon ein Auslaufmodell. Heute muss man da flexibel sein.“ Gerda König zog nur erstaunt die Augenbrauen hoch und wunderte sich wieder einmal über ihren Mann. Der konnte ungeheuer liberal sein, solange es nicht sein unmittelbares Umfeld betraf. Ebenso wie den Königs war das Frauenpaar auch den anderen Trauergästen aufgefallen und Gerda König bemerkte, dass sich viele verstohlen darüber unterhielten. So etwas sah man in Bärlingen schließlich nicht alle Tage.
    Susanne ließ sich ganz selbstverständlich von Alex aus der Kapelle führen. Für sie war es das Normalste auf
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