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Mordsonate

Mordsonate

Titel: Mordsonate
Autoren: O. P. Zier
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mehr zu reizen, denn es gelang ihr jetzt nicht, das Weinen gänzlich zu unterdrücken.
    »Da brauchst du gar nicht so zu heulen. Das ist so! Und war auch immer schon so. Immer schon.«
    Verunsichert sah Peter Aberger kurz wieder in die Richtung seiner Frau, nachdem auch dieses Telefonat ohne Erfolg geblieben war, um danach zum x-ten Mal die Nummer zu drücken, unter der er noch niemanden erreicht hatte. Da er dies ohnehin schon zweimal getan hatte, sprach er jetzt nichts mehr auf den Anrufbeantworter. Sie wäre doch dort … Sie musste dort sein! Denn wo sollte sie denn sonst sein? Er hatte auch schon bei den Eltern der anderen Freundinnen seiner Tochter angerufen. Von Anjas Eltern kannte er leidernur die Festnetznummer. Bei so herrlichem Wetter … da hatten die einfach mit den Mädchen noch etwas unternommen, waren mit den Kindern ins Grüne gefahren. Was läge denn näher als das, an so einem Tag! Wo Anjas Familie dieses alte Haus besaß, in Seekirchen. Dorthin war Birgit doch schon öfter mitgefahren. Und heute eben auch wieder. Oder sie waren einfach noch ein Eis essen gegangen. Und Birgit, mein Gott, sie konnte daheim nicht anrufen, weil er heute früh diesen Radau gemacht hatte, wegen der Telefonwertkarte! Wahrscheinlich wollte Anjas Vater mit dem Ausflug auch zeigen, dass er akzeptiert hatte, dass Birgit am Wettbewerb in Vilnius teilnehmen würde, nachdem Anja in der Endausscheidung auf dem zweiten Platz gelandet war. Ja, so musste es sein, denn Birgit … sie war doch nicht ausgerissen, um Himmels willen! Unsere Tochter ist doch nicht abgehauen, beschwor er sich ein ums andere Mal. Sie hatte nur deshalb nicht angerufen, dass sie sich verspäten werde, weil … ja, weil es heute früh diesen saublöden Streit gegeben hatte, an den er nicht denken wollte, weil er längst bereute, dass er ihn einmal mehr auf die Spitze getrieben hatte, als folge er einem Zwang. Und daran, dass Birgit jetzt nicht anrief – nicht anrufen konnte –, trug allein er die Schuld … weil er am Ende nur die Tür hinter sich zugeknallt hatte und ins Büro gefahren war.
    Anna kauerte im Halbdunkel der zunehmenden Dämmerung mit angezogenen Beinen auf dem Sofa, als würde sie frösteln. Nein, es fröstelte sie tatsächlich. Weil es sie immer fröstelte, wenn etwas passierte, das schlimm ausgehen konnte. So war es auch vor einigen Jahren gewesen, als ihr jüngerer Bruder im Pinzgau beim Dachdecken abgestürzt war und sie im Halbdunkel eines späten Nachmittags auf Nachricht aus dem Spital gewartet hatten. Sie umschlang ihre Beine wie damals, um sich zu wärmen. Dabeiwar der heutige Maitag wie der gestrige schon fast hochsommerlich heiß gewesen. Auch jetzt, am frühen Abend, strömte noch immer das Gemisch aus warmer Luft und Abgasen durch die offen stehende Balkontür in das Wohnzimmer.
    Alle paar Minuten versuchte er es bei Anjas Eltern. Dass er dort niemanden erreichte, war doch Beweis genug dafür, dass die Familie mit den Mädchen irgendetwas unternommen hatte, der dummen Konkurrenz zum Trotz. Wo hätte er sonst noch anrufen sollen? Mit resigniertem Blick schaute er zu seiner Frau, die ihn ihrerseits ratlos ansah und wieder damit anfing, ihre Zehen zu kneten, wie sie es immer tat, sobald sie nicht mehr weiter wusste.
    »Ich habe kein gutes Gefühl«, murmelte Anna.
    »Die Wegers haben mit den Kindern bestimmt noch etwas unternommen«, entgegnete er schnell, aber es hörte sich kleinlaut an.
    Anna sah mit leicht verschleiertem Blick in seine Richtung, um nach einiger Zeit zaghaft zu nicken.
    »Bestimmt«, wiederholte er. »Bestimmt sind sie … bei dem Wetter … da sind sie noch hinausgefahren. Ganz sicher.«
    Nur einen Moment lang dachte Birgit: Wie ekelig, wenn der Fremde dabei zuschaut! Dann aber war ihr alles egal, so dringend musste sie jetzt auf die Toilette, nachdem ihr der Mann vorhin eine Limo zu trinken gegeben hatte.
    Die Fesseln wurden ihr abgenommen, und während sie sich noch die Handgelenke massierte, verbot ihr die Stimme bereits, sich an die Augenbinde zu greifen. Dabei hätte sie der Mann nicht darauf hinzuweisen brauchen, dass es zu ihrem eigenen Schutz war, ihn nicht zu sehen. Sie zweifelte keine Sekunde daran, dass er sie sonst sofortumbringen würde. Noch dazu, wo sie sich inzwischen ziemlich sicher war, die Stimme schon gehört zu haben. Und zwar nicht nur einmal. Sie war noch viel zu aufgeregt und verängstigt, um sich konzentrieren zu können, aber es war ihr, als habe sie die Stimme immer zusammen mit einem
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