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Mordsee

Mordsee

Titel: Mordsee
Autoren: Reinhard Pelte
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Prostituierten. Er hätte das Geld dafür lieber ins Klo geschmissen.
    Dabei sollte ihm der Umgang mit Menschen eigentlich vertraut sein und nicht Angst einjagen, warf er sich vor. Schließlich war es sein Beruf, in die Abgründe einzutauchen, aus denen sich kriminelles Tun erklärte. Es gab zu viele Grauzonen, in denen die Strukturen zerflossen und man sich auf schwammigem Boden bewegte. Und dabei musste er cool bleiben, wenn er seinen Job erfolgreich erledigen wollte. Die Grenzen zwischen strafbarem und tolerierbarem, zwischen verwerflichem und löblichem, zwischen öffentlichem und privatem Tun waren nicht eindeutig definiert. Das war ihm schon lange klar. Aber jetzt schien es ihm möglich, dass menschliches, ja sogar kriminelles Tun alles zusammen gleichzeitig sein konnte. Der Urlaub hatte seine Gewissheiten ins Wanken gebracht und ihn zutiefst verunsichert.
     
    *
     
    Als er seiner Frau erzählte, was ihn bedrückte, hatte sie ihn ausgelacht.
    »Du willst ein guter Mensch sein. Und je mehr du dich anstrengst, desto unsympathischer bist du.«
    Jung fand das gar nicht zum Lachen und erwiderte beleidigt: »Ich tue, was ich glaube, nötig zu haben.«
    »Eben, das sag ich ja.«
    »Warum bist du dann mit mir zusammen?«
    »Weil ich schon so lange mit dir zusammen bin. Das ändert alles. Du könntest dich bemühen. Es gibt auch sympathische Polizisten.«
    »Wer? Den möchte ich sehen.«
    »Mir fällt gerade keiner ein. Aber der Borowski aus dem Kieler Tatort, der ist anders.«
    »Fernsehen! Ach, du meine Güte! Was hat das mit der Wirklichkeit zu tun?«, reagierte er verächtlich.
    »Borowski will kein guter Mensch sein, sondern die Bösewichte ans Messer liefern. Ich glaube, privat ist er ein totaler Widerling.«
    »Du widersprichst dir selbst. Merkst du das nicht?«
    »Ich sagte nur, dass er mir sympathisch ist.«
    »Du magst also Widerlinge? Toll! Das beruhigt mich wirklich.«
    »Er flößt mir Respekt ein, weiter nichts. Und das ist in meinem Alter schon ein echtes Wunder. Ich könnte mich in ihn verlieben.«
    »Bei der ungesunden Figur? Na dann, prost Mahlzeit!«
    Jung war verärgert, obwohl er objektiv keinen Grund dazu hatte, wie er aber erst später einsah. Er hatte das Gespräch beendet und schlief von da ab für einige Zeit noch schlechter.
     
    *
     
    Jung starrte abwesend in die vorbeihuschende Landschaft. Sein Grübeln hatte ihn an einen Punkt geführt, wo er sich gewöhnlich mit der stummen Rezitation eines Kirchenliedes tröstete: ›Mach End, oh Herr, mach Ende mit aller unsrer Not‹. Eigentlich wünschte er sich einen ganz anderen Trost.
    Seit dem Halt in Eckernförde war er allein im Abteil. Als der Zug die Schlei bei Lindaunis überquerte, hatte die Landschaft endlich seine Aufmerksamkeit gewonnen. In den Hügeln Angelns unterteilte in Reihen gepflanztes Buschwerk die weitläufigen Wiesen und Äcker. Ganz anders als in Kanada, dachte Jung, sich an die allernächste Zukunft erinnernd. Wo werden wir da drüben überhaupt übernachten? Doch nicht etwa auf dem Segler? Für sie gab es an Bord aller Voraussicht nach keinen Platz. Zum Glück, wie er meinte. Für Nächte in einer Hängematte im Zwischendeck fühlte er sich zu alt. Sein Hang zur Bequemlichkeit wurde ihm wieder einmal bewusst. Don’t worry, be happy, redete er sich gut zu. Bisher hast du noch immer passabel geschlafen. Warum sollte sich daran ausgerechnet jetzt etwas ändern?
    In Flensburg fuhr er geradewegs nach Hause, ohne noch einmal in der Inspektion vorbeigeschaut zu haben.

Das Treffen
     
    Er steckte den Schlüssel in das Sicherheitsschloss, öffnete die Tür und stieß sie mit dem Hacken hinter sich zu. Vor der Garderobe ließ er seinen Seesack fallen und hängte sein Ballcap an den Haken. Es war still. Auf dem Weg in die Küche durchquerte er den Flur und das Wohnzimmer. Es roch muffig. Die Wohnung sah genauso aus, wie er sie verlassen hatte. Im Gegenlicht sah er Staub auf den Möbeln. Es musste sauber gemacht werden.
    In der Küche nahm er sich ein Flensburger Pilsener aus dem Kühlschrank, öffnete die Flasche mit einem lauten Plopp und stellte sich ans Fenster. Er nahm einen tiefen Schluck und blickte versonnen auf die gegenüberliegenden Wohnblocks. Vor den Haustüren standen Fahrräder in den Ständern. Der Rasen zwischen den Häusern war gemäht worden. Zu seiner Zeit hätten sie darauf Fußball gespielt und einen Acker daraus gemacht, dachte er wehmütig. Von der Mürwiker Straße wehten Verkehrsgeräusche herüber.
    Heute
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