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Mord unter Freunden - Ernestam, M: Mord unter Freunden - Kleopatras Kamm

Titel: Mord unter Freunden - Ernestam, M: Mord unter Freunden - Kleopatras Kamm
Autoren: Maria Ernestam
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draußen, um ihre Enttäuschung herunterzuschlucken. In der Dunkelheit lief sie die schmalen Gassen entlang und betrat schließlich ein Café, das die ganze Nacht geöffnet hatte. Dort trank sie einen Espresso und aß ein mit Buttercreme gefülltes Gebäckstück, ohne an den Umfang ihrer Hüften zu denken oder daran, dass es damit noch schwieriger werden würde, jemals zu einem Drink eingeladen zu werden. Sie hatte den Kellner angesehen und gedacht, dass sie sofort ihm gehörte, wenn er etwas Nettes zu ihr sagen würde, und sei es nur: »Ciao bella.«
    Der Mann am Nachbartisch hatte sie betrachtet, als wüsste er Bescheid. Dann fragte er, ob sie Schwedin sei. Sie nickte, und er stand auf und setzte sich zu ihr an den Tisch. Dort saßen sie dann stundenlang, bis sich Mari an Anna erinnerte und Fredrik mit in die kleine Pension nahm, in der sie wohnten.
    Anna hieß Fredrik ganz selbstverständlich willkommen, und sie saßen bis zum Morgen da und tranken den restlichen Wein, erzählten sich gegenseitig aus ihrem Leben, lachten und vergossen gelegentlich auch ein paar Tränen und wurden so zu Freunden.
    Den Rest der Woche waren sie unzertrennlich. Einmal, spätabends, als Anna noch in einem obskuren Nachtclub bleiben wollte, versuchte Fredrik vorsichtig, Mari zu küssen. Doch sie winkte ab, weil sie annehmen musste, sie sei nur der Trostpreis, weil Anna nein gesagt hatte. Anschließend bereute sie es. Nach einer Weile erkannte sie aber, dass sie Fredrik so gern hatte, dass sie auf keinen Fall riskieren wollte, ihn zu verlieren, nur weil eine eventuelle Beziehung ein Ende nahm. Fredrik unternahm nie wieder einen Annäherungsversuch, und sie wusste bis zu diesem Tag nicht, ob sie sich damals klug verhalten hatte. Aber ihre Freundschaft hielt.

    Jetzt saßen sie zusammen im Café, während es draußen immer dunkler wurde, und die Straßenlaternen Schatten an die grün gestrichenen Wände warfen. Mutig, hatte Fredrik geurteilt, als Anna die Farbe präsentiert hatte, dann aber wie so viele andere zugeben müssen, dass Annas Sinn für Nuancen sie auch dieses Mal nicht getrogen hatte. Fredrik saß in dem großen Ohrensessel, einem Erbstück von Annas Großvater, und Mari hatte sich den Schaukelstuhl ausgesucht, auch dieser alt. Sie hatte die Beine übereinandergeschlagen, betrachtete Fredrik und Anna und dachte, dass es schon seltsam war, dass es ihnen trotz chaotischer Lebensführung über alle Jahre gelungen war, den Kontakt zu halten. Aufgrund Annas Reisen kreuz und quer durch die Welt, hatten sie sich lange Zeit nur mit kurzen Besuchen und im Übrigen mit Briefen, Telefongesprächen und Mails begnügt. Dazu kamen Maris Jahre in Irland. Fredrik war zwar in Stockholm geblieben, unternahm aber immer wieder monatelange Reisen, wenn er genug Geld zusammengespart hatte. Allein. Immer und immer noch allein. Wie sie mittlerweile alle drei. Über vierzig und allein, wenn man einmal von den Männern absah, die den Versuch unternahmen, bei Annas Tempo mitzuhalten.
    Noch einmal musste sie erzählen, was sich im Büro zugetragen hatte. Fredrik schien das mit der Schere nicht weiter bemerkenswert zu finden, sondern stellte stattdessen fest, dass es nicht so ungewöhnlich sei, dass aufgestaute Aggressionen zu unüberlegten Taten führten.
    »Vermutlich wolltest du schon recht lange mit der Schere auf Johan losgehen. Oder ihn mal so richtig anschreien. Unterbewusst natürlich. Aber du hast immer den Mund gehalten und warst frustriert. Jetzt bot sich die Gelegenheit. Ich glaube, dass es so ist. Man lässt Demütigungen über sich ergehen, und plötzlich bricht es aus einem heraus. Wenn man dann überreagiert, genügt eine Kleinigkeit. Und niemand versteht, warum man sich wegen einer Lappalie so aufgeregt hat.«

    »Du meinst die Kündigung?«
    »Nein, natürlich nicht. Das ist wirklich eine Sauerei, Mari. Aber eigentlich tust du mir auch nicht leid, denn ich hatte schon lange das Gefühl, dass du dich dort nicht wohlfühlst. Wir sollten eine Flasche Champagner aufmachen und den Anfang deines neuen Lebens feiern.«
    »Feiern, dass ich mit der Schere auf jemanden losgegangen bin und das Gefühl hatte, ihn umbringen zu wollen? Man könnte fast Angst vor sich selbst bekommen … Vielleicht zeigt er mich ja bei der Polizei an, und ich muss Schmerzensgeld bezahlen.«
    »Das glaube ich nicht. Dein alter Chef wird schließlich so etwas wie Selbstachtung haben. Das Ganze klingt doch ziemlich bescheuert: ›Sie hat mir mit einer Schere in die Hand
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