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Mord und Brand

Mord und Brand

Titel: Mord und Brand
Autoren: Gerhard Loibelsberger
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auch den Fabrikbrand auf der Laaer Straße und den dazugehörigen Raubmord aufklären können… Respekt, Nechyba, Respekt…«
    Ob dieses ungewohnten Lobs verdattert, fasste sich der Inspector jedoch schnell wieder und machte einen kühnen Vorstoß:
    »Erlauben Sie, Herr Zentralinspector, dass ich eine Bitte äußere?«
    »Eine Bitte? Na, sprechen Sie schon, Nechyba…«
    »Meine Frau ist Herrschaftsköchin und hat nur sonntags dienstfrei. Deshalb wollt ich Sie bitten, dass ich vielleicht am kommenden Sonntag, am 17. September, nicht Dienst tun muss.«
    Pamer strich sich über seinen Schnauzbart und murmelte:
    »Da is die Großkundgebung der Sozis… Na ja…Wer soll denn Ihre Gruppe führen, wenn Sie net da sind?«
    »Der Pospischil, der vertritt mich sonst auch.«
    »Na, das wird sich doch einrichten lassen. Nehmen S’ Ihnen frei, Nechyba. Ich wünsch’ einen schönen Sonntag mit der Frau Gemahlin…«
    Nechyba kaute an einem Salamiradl und dachte an die Fleisch- und Wurstpreise, die dermaßen in die Höhe geklettert waren, dass so ein Stück Salami fast nicht mehr leistbar war. Grinsend biss er ins Butterbrot und dachte an die Bozena, die ihm diese Delikatesse sehr günstig verschafft hatte. Sie hatte ihm die Wurst allerdings nur unter der Bedingung beschafft, dass er den Portier Kis, der Salami stangenweise aus seiner ungarischen Heimat nach Wien brachte und hier schwarz damit handelte, nicht verhaften würde. Nechyba grinste und murmelte:
    »Das is mir im wahrsten Sinne des Wortes wurscht, ob der mit oder ohne Gewerbeschein Wurscht verkauft. Hauptsache, ich bekomme eine…«
     
    Als Nechyba auf dem Gang einen Wasserkrug für seine Morgentoilette füllte, sah er in den Hof hinaus und stellte fest, dass das bewölkte Wetter nicht gerade verlockend für einen Ausflug war. Trotzdem war er fest entschlossen, so bald wie möglich aufzubrechen. Zurück in der Küche wärmte er das Wasser am Herd, wusch und rasierte sich. Nun war auch Aurelia aufgestanden. Nach ihrer Morgentoilette verschwand sie im Zimmer, um sich anzukleiden. Inzwischen bereitete Nechyba den Picknick-Korb vor. Mit Wehmut dachte er an frühere Zeiten, als seine Frau und er Selchfleisch, Dauerwurst, luftgetrockneten Schinken und Speck einpacken konnten. Diese Zeiten waren vorbei. Er verstaute das restliche Stück Salami sowie reichlich Brot im Korb. Dazu kamen etwas Käse, vier Eier, die er zuvor bereits hart gekocht hatte, und jeweils zwei frische Paprika und Paradeiser, die er gestern am Naschmarkt erstanden hatte. Aus seiner ›Speisekammer‹ fischte er eine Flasche Gießhübler Mineralwasser sowie einen Weißwein heraus; einen ›Gemischten Satz‹ vom Nussberg. Er grinste die Weinflasche an und murmelte:
    »So, mein Lieber! Heute bring ich dich dorthin zurück, wo du herkommst…«
     
    Für die Anreise zum Nussberg wählten die Nechybas nicht eine Ringlinie, sondern die Stadtbahn. In Heiligenstadt würden er und seine Frau dann in den 36er umsteigen. Diese Planung erwies sich als sehr vorausblickend. Denn als das Ehepaar auf den Getreidemarkt hinaustrat, strömten ihnen große Gruppen von Arbeitern und Arbeiterinnen entgegen, die lauthals Parolen skandierten. Alle waren sie in Richtung Ringstraße und Rathaus unterwegs. Am Karlsplatz löste Nechyba zwei Fahrkarten. Und dann hatten sie Glück, denn gerade als sie unten am Perron angelangt waren, fuhr dampfend, schnaufend und Funken speiend ein Stadtbahnzug ein. Nechyba und Aurelia fanden zwei Fensterplätze und genossen schweigend die Fahrt. An der Endstelle, im Bahnhof Heiligenstadt, stiegen sie aus und gingen ein kurzes Stück zum 36er hinüber. Auch hier mussten sie nicht lange warten, sodass sie nach einer dreiviertel Stunde Fahrt in Nussdorf vor dem kleinen Bahnhof der Zahnradbahn anlangten. Da Nechyba nicht auf den Kahlenberg, sondern auf den Nussberg hinaufwollte, ging es nicht mit der Zahnradbahn, sondern per pedes weiter. Es war mittlerweile zehn Uhr vormittags und am Rathausplatz und auf der Ringstraße hatten sich zehntausende, vielleicht sogar hunderttausend Menschen versammelt. An verschiedenen Plätzen hielten führende Mitglieder der sozialdemokratischen Partei Reden, in denen sie die Teuerung, die Wohnungsnot und die sozialen Missstände anprangerten.
     
    Nechyba und Aurelia spazierten inzwischen Hand in Hand den leicht ansteigenden Weg, der den Schreiberbach entlangführte, hinauf zu ›Beethovens Ruhe‹. Dort setzten sie sich auf ein Bankerl und taten das, was der große
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