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Mord ohne Leiche

Mord ohne Leiche

Titel: Mord ohne Leiche
Autoren: Marcia Muller
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mir zumuten. Du sollst nicht die Bürde mittragen, die
allein meine ist. Ich könnte es nicht aushalten, mich dauernd von dir zu verabschieden
in dem Bewußtsein, daß ich nach Hause zu einer anderen Frau gehe.«
    »Was dann...?«
    »Wenn das hier durchgestanden ist,
werde ich dich fragen, ob du noch einmal anfangen willst. Daß ich es will, weiß
ich.«
    Er war ein Mann von Ehre, dieser George
Kostakos. Doch in kalten, einsamen Nächten verfluchte ich ihn manchmal wegen
dieser Ehrenhaftigkeit. Und wenn ich einmal ganz am Boden war, dann fragte ich
mich, ob er diese Skrupel auch gehabt hätte, wenn nicht gerade ich es gewesen
wäre, die ihm die traurige Wahrheit über das Leben und den Tod seiner Tochter
überbringen mußte.
    Aus dem Nieseln war inzwischen Regen
geworden. Ich ignorierte ihn, schlug den Kragen hoch und ging weiter. Der South
Park lag still und verlassen da. In den letzten Tagen hatte sich eine
Dunstglocke über ihn gelegt, so dick wie die Rauchglocke nach dem Feuer. Ich
fragte mich, ob er je wieder zum Leben erwachen würde. Und ich selbst?
    Aus der Third Street bog ein Wagen ein.
Seine Scheinwerfer blendeten mich. Ich hielt mir die Hand wie einen Schild über
die Augen und wartete, daß er vorbeifuhr.
    Ein paar Meter von mir entfernt hielt
er am Bordstein an. »He, Lady, eine Fahrt gefällig?«
    Rae, in ihrem alten Rambler American.
    Ich ging hin, beugte mich hinunter und
sah sie durch das Fenster an. »Was machst du hier?«
    »Detektivarbeit. Ich bin dir gefolgt.
Ein paarmal bin ich dir jetzt schon hierher gefolgt. Meinst du nicht, du
solltest aufgeben?«
    »Was aufgeben?«
    Sie zeigte auf den Park. »All das hier.
Die Vergangenheit. Mach weiter mit deinem Leben.«
    Normalerweise wäre ich über eine
derartige Einmischung wütend geworden. Doch plötzlich wußte ich, daß sie der
einzige Mensch war, der verstand. Zumindest soviel, wie ich.
    »Weißt du, was wir jetzt tun?« fuhr sie
fort. »Wir gehen thailändisch essen. Ich habe ein tolles neues Restaurant
entdeckt. Und billig dazu.«
    »Rae -«
    »Dann wäre da noch dieser kleine Club,
draußen am Strand. Jazz. Ich bin mit dem Schlagzeuger befreundet. Der Pianist
ist interessant. Er wird dir gefallen.«
    »Rae, keine Abschleppereien.«
    »Das sind sie nicht. Wir schauen nur
auf ein paar Drinks hinein. Ich kriege sie normalerweise auf Kosten des Hauses.
Wenn wir bis zum Schluß bleiben, führen sie uns auf einen Hamburger aus — Clown
Alley ist rund um die Uhr geöffnet. Und Jim — das ist der Pianist — kennt
diesen Fährdienst, der die ganze Nacht durch die Bucht kreuzt, sogar bei
Regen.«
    Ich wollte gerade nein sagen. Zögerte.
Sah über meine Schulter zurück in den Park, der kalt und naß in der Dunkelheit
lag. Richtete mich auf und sah über das Dach des Wagens hinweg auf die im
tiefen Schatten liegenden Ruinen des Café Comédie.
    »Warum, zum Teufel, eigentlich nicht?«
sagte ich.
    Rae hatte recht: Es war an der Zeit
weiterzuleben.

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