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Mord in h-moll

Mord in h-moll

Titel: Mord in h-moll
Autoren: Alexander Borell
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gewesen sei. Im Vergleich zu ihm, natürlich.
    Immerhin gab mir dieses Gespräch etwas Rückgrat. Es war etwas ganz anderes, wenn ich vor Karin treten und ihr sagen konnte: eine neue Stellung habe ich auch schon.
    Ich trennte mich in Stuttgart von Peter, der nach Heidelberg weiterfuhr. Wir hatten vereinbart, daß ich ihm in den nächsten Tagen schreiben würde, wann ich bei ihm anfangen könnte.
    Ich war froh, als ich allein war. Die Bahnhofsuhr zeigte auf drei. Es war Sonnabend, der 2. April.
    Als ich mit der Zahnradbahn nach Degerloch hinauffuhr, stand die Sonne noch am Himmel, aus den Gärten roch es nach Frühling. Bunt leuchteten die Krokusse und die Narzissen auf den Rasenflächen. Es war Frühling, ich war frei. Und in wenigen Minuten würde mir Karin um den Hals fallen...
    Sie war zu Hause. Ich mußte klingeln, weil ich keinen Schlüssel zu unserer Wohnung hatte. Karin öffnete mir die Tür.
    Wir fielen uns nicht um den Hals.
    »Guten Tag, Stefan«, sagte sie und gab mir die Türe frei. Vielleicht wollte sie warten, bis wir oben in unserer Wohnung waren?
    Ich trat in die Diele, die hübsch eingerichtet war.
    »Du wohnst seit vierzehn Tagen hier?« fragte ich.
    »Ja.«
    Ich spürte eine Wand zwischen uns. Eine Wand aus dickem Eis.
    Karin öffnete die Wohnungstür.
    »Komm herein, Stefan.«
    Ich ging an ihr vorbei, sah flüchtig die schönen alten Möbel und wandte mich ihr zu.
    »Karin, was ist los? Was ist passiert? Ich... ich hatte mir diesen... diesen Empfang ganz anders vorgestellt.«
    Sie stand vor mir, den Blick gesenkt. Dann aber schaute sie mich voll an.
    »Ich will die Wahrheit wissen, Stefan.«
    »Was für eine Wahrheit?«
    Ihre Augenbrauen zogen sich kurz zusammen, dann sagte sie ruhig:
    »Die ganze Wahrheit, Stefan.«
    Mir wurde heiß. Was meinte sie damit? Was hatte sie erfahren?
    Und da war es wieder, das alte Elend! Wieder zermarterte ich mein Hirn, wieder versuchte ich zu erraten, wovon sie sprach: von Carl Weynert... oder von Hilda?
    »Karin, ich weiß wirklich nicht, was geschehen ist. Ich bin freigesprochen worden. Ich habe Carl Weynert nicht getötet.«
    Sie stand immer noch vor mir, zu weit weg, als daß ich sie hätte einfach in meine Arme ziehen können. »Liebling... so sprich doch. Irgend etwas ist doch zwischen uns.«
    »Ja Stefan. Sehr viel. Du hast mir zwar von diesem Carl Weynert erzählt, als du aus Davos zurückgekommen bist. Aber du hast mit keinem Wort erwähnt, daß er versuchte, dich zu erpressen.«
    »Ach so, das meinst du. Du liebe Güte, weshalb hätte ich dich damit beunruhigen sollen?«
    »Du hättest es mir sagen sollen.«
    »Na schön, zugegeben. Aber nun ist es vorbei. Weshalb bist du dann...«
    »Es ist nichts vorbei, Stefan«, sagte sie ernst. »Warum mußtest du das Gericht und... und Dr. Herrmann anlügen?«
    »Ich? Ich hätte...«
    »Du hast gelogen, Stefan. Sie alle sind davon ausgegangen, du hättest deine Frau geliebt. Daraus ergab sich die Verhandlung, das war der Grund, weshalb man an die Erpressung mit den Briefen deiner Frau glaubte.« Sie starrte mich an, als wolle sie mich beschwören. »Stefan, ich allein weiß, daß alles nicht stimmt. Du hast deine Frau nicht geliebt, du hättest dich nicht aus dem Grund erpressen lassen, wie es das Gericht angenommen hat.«
    Sie rang die Hände, ohne es zu bemerken. Plötzlich schrie sie auf:
    »Stefan! Sag mir die Wahrheit... ich muß sie wissen, wie immer sie auch aussieht... lüge mich nicht noch einmal an... was... was war mit... mit deiner Frau? Hast du... sie auch... getötet?«

9

    Wenn ich heute die Augen schließe, sehe ich noch immer die ganze Situation jenes Abends vor mir, wie auf einer überscharfen Fotografie.
    Wir standen Auge in Auge. Ich war unfähig, mich zu bewegen. Irgendwo in meinem Hirn lief eine Stoppuhr ab. Sie tickte und sagte mir, ich müsse Karin eine Antwort geben. Eine klare, überzeugende Antwort auf diese tödliche Frage. Zu lange durfte ich nicht warten, sonst würde keine Antwort mehr glaubhaft sein.
    Sollte ich weiterlügen? Sollte ich ihr sagen, das sei schrecklicher Unsinn? Sollte ich den Entrüsteten spielen, der allein schon diesen Gedanken fast als Beleidigung empfindet?
    Oder sollte ich ihr endlich die Wahrheit sagen? Ja, ich habe Hilda umgebracht, aus dem und dem Grund?
    Ich fühlte, wie mich alles zu diesem Geständnis drängte. Endlich nicht mehr allein damit sein, endlich das alles loswerden. Vielleicht würde ich dann wieder Ruhe finden?
    Zugleich aber kam mir der
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