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Mord in h-moll

Mord in h-moll

Titel: Mord in h-moll
Autoren: Alexander Borell
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diesen Mann nicht getötet. Er ist...«
    »Verunglückt, ich weiß. Das hat ja auch der Richter festgestellt. Übrigens ist doch klar, daß der sich das gleiche gedacht hat: ein solcher Schmutzfink wie dieser Carl Weynert muß seine Strafe bekommen, wenn er aus einem anständigen Ehemann einen Narren macht.«
    Ich ließ ihn stehen und rannte den Korridor entlang.
    Gegen Mittag fuhr mein Zug. Ich hatte einen Fensterplatz und fing damit an, alle Zeitungen zu lesen, die ich gekauft hatte. Überall stand etwas von meinem Prozeß drin, überall klang es in den Kommentaren ähnlich, wie Erwin Mack das ausgedrückt hatte. Nur stand es nicht so deutlich da. Man hielt mich für einen Mann, der aus Liebe zu seiner toten Frau gehandelt hatte. Und um das Andenken an eine glückliche Ehe nicht von einem Erpresser beflecken zu lassen. Man hielt mich so offensichtlich für schuldig am Tode Carl Weynerts, daß ich mich fragte, weshalb ich dann in Freiheit war.
    Ich warf die Zeitungen neben mich. Ein Herr kam in mein Abteil. Wir schauten uns kurz an und stutzten beide. Ich kannte ihn, wußte aber nicht woher. Er kannte mich offenbar auch.
    Wir lächelten uns an, dann setzte er sich mir gegenüber und sagte:
    »Vom Krieg? Ich war bei den Pionieren?«
    »Nein, aber mir kommt es auch so vor... aber vielleicht war es früher? Ich heiße Roeder, Stefan Roeder.«
    »Ja, verdammt nochmal, natürlich! Steht ja in allen Zeitungen. Jetzt weiß ich es wieder: wir waren zusammen auf der Schule. Müllerstraße. Ich heiße Peter Althusen.«
    »Richtig, Peter Althusen. So ein Zufall. Lebst du in München?«
    »Nein, in Heidelberg. Ich habe da eine Möbelfabrik. Und was treibst du... ich meine jetzt, nach dieser Geschichte?«
    »Das weiß ich noch nicht, der Alte hat mich gefeuert.«
    »Muß ja ein ziemlicher Trottel sein. Du hast also keine Stellung, wenn ich recht verstanden habe?«
    Der Zug setzte sich in Bewegung. In wenigen Stunden würde ich bei Karin sein.
    »Nein«, sagte ich. »Ich bin stellungslos.«
    Er war rundlich, eigentlich sogar fett. Ich hätte ihn auf der Straße wohl kaum noch erkannt. Mit seinen dicken Fingern, an denen zwei auffallende Ringe glitzerten, bohrte er in einer Zigarettenpackung und hielt sie mir hin.
    »Auch eine?«
    »Nein, danke. Ich rauche lieber Zigarillos.«
    Er musterte mich.
    »So siehst du auch aus. Du warst immer schon ein etwas dürftiger Knirps.« Er lachte breit. »Nichts für ungut, Roeder. Warst du vorher nicht irgendwo Kassierer? Bei der »Transcontinental«, wenn ich mich nicht irre?«
    »Ja, da war ich acht Jahre lang Kassierer. Und zuletzt war ich Filial-Leiter in Stuttgart. Aber wie gesagt, damit ist es jetzt aus.«
    Er pulte nachdenklich in der Nase, dann sagte er:
    »Paß mal auf, ich glaube, ich habe etwas für dich. Kein Bombengehalt, aber immerhin. Du wirst es jetzt schwer haben, irgendwo unterzukommen.« Er rümpfte seine dicke Nase und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Sind dumm, die Leute, aber ein Freispruch mangels Beweis... na ja, also ich hätte was für dich.«
    Er war mir weder sehr sympathisch, noch sehr unsympathisch. Als Chef? Na ja, vielleicht war es ganz gut, zunächst einmal zu nehmen, was sich bot.
    »Fein«, sagte ich. »Und was habe ich bei dir zu tun?«
    »Verkauf, im Laden. Ich brauche da einen zuverlässigen Burschen. Einen, der nicht gleich einen Tausender im Monat verdienen will.«
    Aha, so also dachte er sich das. Geld wollte er sparen, weil er mich jetzt für billig hielt.
    »Schön Peter, ich gebe dir Bescheid.«
    Er hielt mir seine fette Hand hin, und ich schlug ein.
    »Abgemacht, Peter. Wieviel werde ich denn verdienen?«
    Er zog die Mundwinkel nach unten, und seine feisten Backen wabbelten. Fast schien er beleidigt über meine taktlose Frage.
    »Mensch«, brabbelte er. »Menschenskind, ich sagte doch schon, allzuviel wirft das nicht ab. Das heißt, wenigstens in der ersten Zeit. Wenn du dich gut einarbeitest, können wir über eine angemessene Provision sprechen. Aber du solltest froh sein, daß du als... hm, ja, als immerhin etwas... hm, ja, etwas belasteter Mann überhaupt irgendwo unterkommst.«
    »Ja, natürlich. Ich bin dir auch sehr dankbar, Peter.«
    Er strahlte wieder. Er war sicherlich überzeugt, daß es nur noch der liebe Gott an Güte mit ihm aufnehmen könnte.
    Bis Stuttgart sprachen wir dann von unserer Schulzeit, und Peter Althusen versäumte es nicht, mir hin und wieder unter die Nase zu reiben, wie ärmlich und mickerig ich schon damals
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