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Mord im Bergwald

Mord im Bergwald

Titel: Mord im Bergwald
Autoren: Nicola Förg
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es, als würde das Schütteln ihre Lebensgeister wieder in Position rütteln.
    Kathi hockte neben ihr und sah sie besorgt an.
    »Wo ist Vitus?«, wollte Irmi wissen.
    »Trinkt einen Tee. Alles paletti. Fichtl ist schon unterwegs nach Murnau, in die Unfallklinik. Der Notarzt hat sich geweigert, ihn in ein Bundeswehrkrankenhaus zu überführen. Die Bergwacht sucht Filser, sie können bei dem Wetter nicht fliegen, und dunkel wird's auch bald. Vitus dagegen meint, er habe den Absturz nicht überlebt.«
    »Wie lange sitze ich denn schon hier?«, fragte Irmi ungläubig.
    »Etwa vierzig Minuten, du warst kurzzeitig etwas weggetreten, oder? Du hast jedenfalls eine Fetzengehirnerschütterung und eine saubere Macke an der Stirn. Ist geklammert worden!«
    »Geklammert?«
    »Ja, wie gesagt, du warst etwas abgeschaltet. Die Bergstation ist inzwischen evakuiert. Es sind nur noch zwei Sanis, ein Arzt, Vitus, du und ich da. Und im Tunnel sind zwei Sprengstoffexperten. Vitus hat ausgesagt, dass Filser mit Sprengung gedroht hat. Die beiden waren aber guter Dinge. Sie meinten, dass ohne Zünder wenig passieren könne. Und der Zünder ist dann ja wohl mit Filser zu Tale gerauscht.«
    Irmi ging das alles zu schnell. Ihr Kopf schmerzte höllisch. Ihr war übel.
    Da kam Vitus angeschlendert. »Madl, dei Dickschädel is beachtlich. Aber gegn an Fels bist a du machtlos.«
    »Jawohl – und nun legen Sie sich brav auf die Trage, der Notarztwagen steht an der Talstation«, sagte einer der Weißkittel.
    »Wieso Trage?« Irmi kam ächzend hoch. »Ich kann gehen.«
    »Das ist bei so einer Gehirnerschütterung aber nicht ratsam.«
    »Quatsch, ich gehe. Ich leg mich zu Hause hin.«
    »Und wie kimmsch du da hin?«, fragte Vitus.
    »Mit deinem Auto«, sagte Irmi. »Kathi fährt meins.«
    »Dazu kann ich nicht raten«, hob der Weißkittel wieder an. »Ein Liegendtransport wäre weit besser. Ich würde Sie auch gerne eine Nacht im Klinikum überwachen.«
    »Nix da. Ich entlasse mich auf eigene Verantwortung, bevor Sie mich eingeliefert haben.«
    Kathi schüttelte den Kopf und grinste den Arzt an. »Versuchen Sie es gar nicht weiter. Sie ist ein Bauernschädel.« Das klang fast wie eine Liebeserklärung.
    »I hob a große Kistn, so an Van halt«, sagte Vitus. »Der hot scho de Größe von eim Krankenwagen. Also, pack mers.«
    Bis die Gondel kam, standen sie noch auf der Terrasse. Nebel zogen herein und legten sich über den Kranzberg. Dann fielen sie gleichsam zu Boden, bedeckten wie milchig weiße Leichentücher die kleinen Seen. Dann glitten sie gespenstisch isarabwärts und verschluckten auch den Barmsee. Der letzte Vorhang war gefallen.

Epilog
    Am nächsten Tag konnte Filser geborgen werden. Er hatte sich das Genick gebrochen. In seinen Taschen fanden die Sprengstoffexperten tatsächlich scharfe Ladungen.
    Irmi hatte ein paar Tage Schonfrist, weil ihre Gehirnerschütterung zu massiven Sehstörungen geführt hatte und sie im Dunkeln liegen musste. Dann brach das Gewitter über sie herein: Polizeigewitter, Mediengewitter. Nach zwei Wochen war endlich Land in Sicht.
    Irmi hatte nach langem Suchen einen Parkplatz an der Unfallklinik in Murnau gefunden. Im Foyer waren Bilder einer Grundschulklasse aufgehängt. Fröhliche bunte Bilder, auf denen grinsende Ärzte ebenso fröhlich grinsenden Patienten Gipsverbände anlegten. Bilder, auf denen Schwestern Fieberthermometer, so lang wie Fahnenstangen, hielten und das Stethoskop aussah wie eine Melkmaschine.
    Irmi trat in einen Aufzug, der sie geradewegs zu Fichtls Station führte. Peter Fichtl hatte gerade Besuch von Meike, die sich sehr freute, Irmi zu sehen.
    Nach der herzlichen Begrüßung sagte Fichtl: »Am Dienstag wäre wirklich eine Sprengübung auf dem Plan gestanden. Im Tunnel.« Seine Stimme war sehr leise geworden.
    »Ja, ich weiß«, meinte Irmi. »Filser hat das tatsächlich so präpariert, dass unter dem Übungsmaterial echte Sprengsätze waren. Er hatte sie offenbar am Vortag platziert. Eine Verwechslung, eine Unachtsamkeit, ein paar echte unter den falschen ...« Irmis Worte erstarben.
    Sie sah aus dem Fenster. Wieso musste ein Krankenhaus so eine Aussicht haben? Das war doch fast zynisch. Da lagen die Opfer der Berge in ihren Betten, vertäut, eingewickelt wie Mumien. Sie schoben ihre Rollis auf die Balkone, während draußen diejenigen, die die Unfälle verursacht hatten, ihre kecken Köpfe in den Himmel reckten. Zähne, Zacken, Grate und Kare. Sie hatten Bergsteiger, Skifahrer, Snowboarder
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