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Mord an Bord: Roman (Allemand) (German Edition)

Mord an Bord: Roman (Allemand) (German Edition)

Titel: Mord an Bord: Roman (Allemand) (German Edition)
Autoren: Hera Lind
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Steward mit Silberknöpfen auf weißem Wams schwebte auf uns zu und fragte, ob wir einen Aperitif wünschten. Ich bejahte gierig. Zu empfehlen, sagte der Steward artig, sei heute der Kaviar vom australischen Stör, dann ein Steinbeißerfilet mit Kräuterhaube, pochiert, als Hauptgang ein geschmorter Frischlingsrücken mit sautierten Pfifferlingen, Honigkuchensauce, Wirsing in Sahne, Kronprinzenkartoffeln und Wildpreiselbeeren, und als Dessert empfehle er Trüffeltörtchen mit Cointreau und Zimtorangen.
    Ich nickte froh.
    Mareike protestierte auch nicht weiter, und so ließen wir den Steward ziehen. Ich schaute mich interessiert im Saale um.
    An den Nebentischen tafelten mit eiserner Disziplin die Sträflinge von heute mittag, die allerdings inzwischen in feinstes Garn gekleidet waren. Anscheinend war Sprechen genauso verboten wie Lachen, denn überall standen die Aufseher mit den Goldknöpfen herum und blickten streng.
    Ich beugte mich vor und wisperte: »Wie lange hältst du es hier schon aus?«
    »Fünf Jahre!« wisperte Mareike zurück. »Mein Mann ist seit fünf Jahren Hoteldirektor. Ich hätte schrecklich gern ein Kind, und es klappt bei uns irgendwie nicht. Deshalb bin ich hier die Kindergärtnerin. Das ist ein leichter Job, weil hier niemand Kinder hat.« Sie hob ihr Champagnerglas und lachte mich verschwörerisch an. »Und du? Was ist mit dir?«
    »MEIN Mann ist Kirchenmusiker und Gymnasialdirektor in Geilenkirchen«, flüsterte ich unter den schmallippigen Blicken der umherstehenden Wärter. »Er sieht es gar nicht gern, daß ich jetzt hier bin. Aber ich wäre in der spießigen Kleinstadt gestorben! Also habe ich mich bei der Künstlervermittlung als Sängerin beworben.«
    »Und?« flüsterte Mareike neugierig. »Habt ihr keine Kinder?«
    »Es klappt nicht«, wisperte ich zurück. »Rüdiger sagt, es liegt an mir. Meine Eierstöcke sind verklebt, behauptet er.«
    »Bist du sicher, daß es nicht an Rüdigers Samensträngen liegt?« fragte Mareike über den Tisch, und in diesem Moment näherte sich der Oberaufseher mit den goldenen Knöpfen und goldenen Streifen auf der Uniform.
    »Verzeihung, die Damen, würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn noch zwei Herren an Ihrem Tisch Platz nehmen würden?«
    Mareike und ich wechselten einen Blick.
    Einerseits machte es uns etwas aus. Klar. Wo wir gerade so kurzweilige Themen erörterten.
    Andererseits: Zwei Herren! Warum nicht?!
    »Bitte«, sagte Mareike, und »Immer her damit!« sagte ich.
    Das Streifenhörnchen führte zwei männliche Wesen an unseren Tisch, der eine klein und schmal und mit runder, glitzernder Brille, der andere eher phlegmatisch und gediegen. Beides keine Volltreffer. Leider.
    Sie gaben uns die Hand und dienerten und murmelten ihre Namen, und wir erhoben uns mit halber Pobacke, hielten unsere Servietten fest und lächelten gönnerhaft.
    Dann saßen sie.
    »Wir sind gestern erst an Bord gekommen, odr«, sagte der Kleine mit der runden Brille eifrig. »Das ist ein gigantisches Schiff!«
    »Hat seine fünf Sterne wirklichch verdient«, bestätigte der andere. Wir tranken. Champagner. Und nickten uns zu. Sie hatten beide einen Schweizer Akzent.
    Schade. Mit den Burschen konnte man fürs erste nicht mehr über Unfruchtbarkeit und schlechten Sex und Langeweile in der Ehe sprechen. Obwohl sie bestimmt eine Menge dazu beitragen konnten.
    Mareike plauderte charmant über die letzten Landausflüge auf Bali, die Aufgaben ihres Mannes als Hoteldirektor und ihr völlig leerstehendes Haus in Hamburg an der Alster. Ich gab zum besten, daß ich als Sängerin engagiert sei, aber bis jetzt noch nicht zum Einsatz gekommen sei, weil niemand meine Opernarien hören wolle, und da legte sich der Kleine vehement ins Zeug: »Ich liebe Opern, odr! Ja! Fürrwahrr! Ich bin ein begeisterter Opernfan, odr! Zweimal im Monat gehe ich in die Oper, egal, in welche!!« Er sprach mit einem goldigen Schweizer Akzent, was mich irgendwie für ihn einnahm. Der Phlegmatische ging nicht in die Oper. Das gab er auch offen zu. Er hörte lieber Soul und Funk. Wenn er überhaupt mal was hörte. Er sei alleinerziehender Vater, sagte er, und da habe er überhaupt keine Zeit für solcherlei Abendveranstaltungen. Mareike blickte ihn mißtrauisch an.
    Die beiden teilten uns dann über verstörtem Stör mit, daß sie Bänker seien. Aus Zürich. Beide. Und daß sie die Aufgabe hätten, den Paxen hier an Bord die Knete abzuschwatzen. Nirgendwo sonst als auf einem Fünfsterneschiff gäbe es so viele alte
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