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Mord an Bord: Roman (Allemand) (German Edition)

Mord an Bord: Roman (Allemand) (German Edition)

Titel: Mord an Bord: Roman (Allemand) (German Edition)
Autoren: Hera Lind
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dachte ich.
    Dann war ich an der Reihe. Fred Hahn blätterte in seinen Unterlagen und sagte: »Und dann haben wir hier eine Operndiva, Burkharda Meier.«
    Er schaute mich erwartungsvoll an. Das mit der Operndiva fand ich unfair von ihm. Ich war keine Operndiva. Leider. Ich war eine Kirchenmusikmaus aus Geilenkirchen bei Aachen. Und ich wollte ENDLICH mal die große weite Welt erleben. Und einen Hauch von Sünde. Ich fand, das stand mir endlich zu, mit einunddreißig.
    »Wie heißt die?« fragte der Zauberer entsetzt. »Burkharda? Ick hab wohl ‘n Krümel im Trommelfell!«
    »Tja“, sagte ich, »ich heiße tatsächlich Burkharda. Wahrscheinlich wollten meine Eltern angesichts des Allerweltsnamens Meier wenigstens einen unverwechselbaren Vornamen, der mich von allen anderen Frau Meiers dieser Welt unterschied. Und ›Burkharda‹ heißt wirklich kein Schwein auf dieser Welt. Nur ich.« Ich schaute festen Blickes in die Runde. »Ich hab mich dran gewöhnt. Burkharda. Burkharda Meier.«
    »Das vergessen wir jetzt alle nicht mehr«, sagte der liebenswürdige Professor Weißenreim. Der alte Einhandsegler dehnte noch hinzu: »Burkharda ist ein zauberhafter Name.«
    Fred Hahn grinste zynisch. »Und was dürfen wir sonst so von Ihnen erwarten, Frau ... Burkharda ... Meier?«
    Ich leierte mein Repertoire herunter: Liederabende mit Schumann, Wolf und Strauss, Schubert, Brahms und Debussy. Dann natürlich 61 Bachkantaten, alle Passionen, Requiems und Oratorien. Ganz nach Wunsch.
    »Ist hier alles nicht gefragt«, sagte Fred Hahn und steckte sich eine neue Zigarette an. »Was haben Sie noch?«
    »Opernarien«, sagte ich. »Carmen, Azucena, Ulrika, Fricka, Freia, Brunhilde, Prallgunde, Brüllhilde, Schwertleite ...« Ich atmete schwer.
    »Burkharda“, sagte Fred Hahn rauchend, »das können Sie sich alles von der Backe putzen. Das krieg ich in keinen Abend rein. Weder in den karibischen Abend an Deck noch in ›Zaubereien der Südsee‹, noch in ›Liebe alte Operettenmelodien von Berlin bis zum Wörthersee ...‹“
    »Sie könnte sonntags im Gottesdienst singen«, meldete sich der evangelische Pastor Nölenberg.
    Ich erstarrte. Alles, nur das nicht! Das tat ich doch schließlich seit vielen Jahren zu Hause, in meiner lieben Kleinstadt Geilenkirchen bei Aachen, wo mich jedermann kannte und schätzte und ehrte als Gattin des Gymnasialdirektors und Organisten Rüdiger Meier!
    Ja, phantasieloserweise hatte ich, eine geborene Meier, auch wieder einen Meier geheiratet. Die Frage nach dem Doppelnamen hatte sich somit gar nicht gestellt. Burkharda Meier-Meier, das hätte etwas übertrieben geklungen.
    Aber warum war ich auf diesem Schiff? Doch nicht, um im Gottesdienst zu singen! Endlich hatte ich mal die Chance, in blaublütigem Dunst mit verrauchter Stimme »Carmen« zu geben, vor tafelnden Neureichen und steinalten Witwen aus noch nicht verarmtem Adel! Endlich einmal wollte ich mit dem Hintern wackeln und mit den Augen zwinkern! Endlich etwas anderes singen als brav-bieder-bürgerlich im Gottesdienst »Ach daß ich Wassers genug hätte, zu beweinen meine Sünden«! Das hatte ich mein Leben lang getan!
    Ich war jetzt einunddreißig. Und das konnte doch einfach noch nicht alles gewesen sein!
    Jetzt war ich hier, auf diesem Schiff. Und ich liebte es, von Anfang an. Die »MS Blaublut« war mein Traumschiff. Und die Reiseroute war auch nicht zu verachten! Australien–Neuseeland! Mitten im kalten Winter! Für ein paar Liedchen!! Wer hätte da nein gesagt?!
    Ich war wild entschlossen, alles zu geben, was ich in Geilenkirchen niemals geben konnte.
    »Nee, laß mal«, sagte zum Glück der Kreuzfahrtdirektor. »Wir haben schon irgendwie Verwendung für Sie!«
    An diesem Abend tafelte ich gemeinsam mit der netten Kindergärtnerin Mareike im »Prinz-Edward-Restaurant« auf Deck acht. Eigentlich durften wir vom einfachen fahrenden Künstlervolk nicht in diesem elitären Restaurant speisen, aber Mareike war die Gattin des Hoteldirektors, und dieser war wegen einer Dienstbesprechung verhindert. Ich leistete der Guten also aus reiner Nächstenliebe Gesellschaft. Alle anderen Künstler mußten in der Offiziersmesse auf Deck drei ihr Essen in sich reinschaufeln. Da gab es, ähnlich wie in der Mensa der Musikhochschule damals, verschiedene Bottiche mit dampfenden Massen, die man sich mit Hilfe einer Schöpfkelle selbst auf seinen Teller laden mußte.
    O nein. Dafür war ich nicht auf ein Fünfsterneschiff gegangen. Ich hatte auch meinen Stolz.
    Ein
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