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Mord am Niddaufer - ein Kriminalroman

Mord am Niddaufer - ein Kriminalroman

Titel: Mord am Niddaufer - ein Kriminalroman
Autoren: Röschen-Verlag
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kalt.“
    „Das ist ja alles sehr interessant. Aber warum erzählen Sie mir das?“
    „Weil Sie versuchen, den Anschein zu erwecken ...“
    „Ich versuche keinen Anschein zu erwecken. Ich bin dafür verantwortlich, dass ein Mord, noch dazu ein ziemlich widerwärtiger, aufgeklärt wird.“ Ihre Stimme schnitt durch die Luft. Der Rechtsmediziner gab jeden weiteren Versuch auf, hinter die Maske zu schauen, die die Staatsanwältin trug. Als er die Tür zum Hof aufstieß, sah er die Kommissare zusammenstehen.
    „Meine Herren, Julia, ich bin zum vorläufigen Abschluss der Obduktion gekommen.“ Die Kommissare schauten auf, während Dr. Spichal, gefolgt von Felicitas Maurer, über den Kies auf sie zukam. Der Rechtsmediziner berichtete von den tiefen Stichwunden und seiner Vermutung, dass ein Kampf stattgefunden hat.
    „Das ist mit Abstand der widerwärtigste Mord meiner Karriere“, sagte Maurer, nachdem Dr. Spichal seinen Bericht beendet hatte. „Ich muss wohl niemanden daran erinnern, dass Sie mit höchster Präzision ermitteln müssen. Pannen können wir uns nicht leisten. Herr Bohlan, ich zähle auf Sie.“ Sie schaute Tom Bohlan in die Augen, nickte dann kurz den anderen zu und stiefelte zu einem Porsche 911, der auf dem Parkplatz stand. Bevor sie die Fahrertür aufmachte, wandte sie sich noch einmal um. „Wir hören voneinander.“
    „Heißes Gerät“, bemerkte Steinbrecher, nachdem der Porsche vom Parkplatz gerollt war.
    „Ich würde eher sagen, Stinkstiefel“, entgegnete Will.
    „Ich meinte nicht die Staatsanwältin, sondern den Porsche“, sagte Steinbrecher. „Die Maurer ist kühler als der Nordwind.“
    „Gebt ihr eine Chance“, warf Dr. Spichal ein. „Sie trägt die Schminke nicht nur im Gesicht, sondern auch auf dem Herzen.“
    Bohlan blickte Dr. Spichal an. „Bist du jetzt auch Seelenklempner?“
    Dr. Spichal hob die rechte Augenbraue. „Soweit liegen diese Metiers gar nicht auseinander. Wer wie ich in das Innere schauen kann, der hat auch ein besonderes Faible für die Seele.“ Er drehte sich um und ging die Stufen zum Eingang nach oben.
    „Was ist mit dem Bericht?“, rief Bohlan ihm hinterher. Dr. Spichal, der die Hälfte der Treppe erklommen hatte, hob den rechten Arm.
    „Liegt morgen auf deinem Schreibtisch.“
    Gegen zwanzig Uhr rieb sich Julia Will mit den Händen über das Gesicht. Ihre Augenlider waren von dem langen, intensiven Lesen am Bildschirm schwer geworden. Sie hatte Mühe, sich auf die Buchstaben zu konzentrieren. Doch mit einem Mal durchzuckte sie ein Adrenalinstoß, der alle Müdigkeit auf einen Schlag verdrängte. Ein Kribbeln breitete sich in ihrer Magengegend aus und erfasste binnen Sekunden den ganzen Körper. In den vergangenen Stunden war sie die Vermisstenmeldungen im Computersystem INPOL durchgegangen. Mehr als fünfzehntausend Fälle waren in dem System gespeichert, darunter circa sechstausend Personen, die in Deutschland als vermisst gemeldet waren. Ein gewaltiges Datenmaterial stand also zur Verfügung. Zum Glück erledigte sich die Hälfte der Vermisstenfälle innerhalb der ersten Woche. Meistens waren es Probleme in der Schule, mit den Eltern oder schlicht Liebeskummer, die zum zeitweisen Verschwinden führten. Da zwei Drittel der Vermissten männlich waren, verringerte sich die Zahl der möglichen Treffer zwar beträchtlich, doch ein leichtes Unterfangen war es trotzdem nicht. Zunächst war Will die Fälle aus dem Rhein-Main-Gebiet durchgegangen. Es gab drei vermisste Mädchen, die in ihr Ermittlungsraster passten, doch bei keinem hatte sie etwas von einem Tattoo finden können. Daraufhin hatte sie die Suche auf ganz Deutschland erweitert. Sogleich hatte sich die Anzahl der Vermissten schlagartig vermehrt. Die ganzen Meldungen durchzugehen hätte Stunden gedauert. Trotzdem hatte sie mit dieser Sisyphusarbeit begonnen, doch nach eineinhalb Stunden war ihr diese Arbeit mehr als sinnlos vorgekommen. Einem Instinkt folgend, hatte sie noch mal die drei Fälle aus dem Rhein-Main-Gebiet aufgerufen. Bei der vermissten Nummer eins handelte es sich um eine fünfzigjährige Frau, die als korpulent beschrieben wurde. Nummer zwei war eine über Achtzigjährige, die aus einem Pflegeheim in Rödelheim verschwunden war. Blieb noch Vermisste Nummer drei, ein siebzehnjähriges Mädchen. Die Eltern hatten sie vor vier Tagen als vermisst gemeldet. Sie wohnte mit ihrer Familie in der Straße ‚Im Geeren. Die Adresse ließ Will aufschrecken. Das Neubaugebiet lag in
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