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Montgomery u Stapleton 06 - Crisis

Montgomery u Stapleton 06 - Crisis

Titel: Montgomery u Stapleton 06 - Crisis
Autoren: Robin Cook
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selbstgefälliges Lächeln huschte über Craigs Gesicht, als er sich vorstellte, wie sie an diesem Abend den Gang zwischen den Sitzreihen der Symphony Hall hinabschreiten würden, was der eigentliche Grund war, warum sie sich so herausputzten. Denn als Ausgleich für ihr billiges Mundwerk war Leona ein echter Hingucker, vor allem in dem tief ausgeschnittenen Kleid, das sie vor kurzem bei Neiman Marcus gekauft hatten. Er war überzeugt, dass sich manch einer nach ihr umdrehen und er einige neidische Blicke von anderen fünfundvierzigjährigen Männern ernten würde. Craig war sich darüber im Klaren, dass solche Gefühle gelinde gesagt ziemlich kindisch waren, doch er hatte sie nicht mehr erlebt, seit er zum ersten Mal einen Smoking getragen hatte, und er würde es genießen.
    Craigs Lächeln verblasste, als ihm die Frage in den Sinn kam, ob womöglich auch gemeinsame Freunde von ihm und seiner Frau im Publikum sein würden. Es war bestimmt nicht seine Absicht, jemanden zu demütigen oder zu verletzen. Doch er bezweifelte, dass er irgendwelchen Bekannten begegnen würde, da weder er und seine Frau noch ihre wenigen Freunde, zum größten Teil überarbeitete Ärzte wie er selbst, jemals Konzerte des Bostoner Symphonieorchesters besucht hatten. Bei dem hohen zeitlichen Aufwand, den eine typische Arztpraxis erforderte, hatte sich ihr Leben hauptsächlich auf ihren Vorort konzentriert, und die kulturellen Angebote der Stadt hatten sie nie genutzt.
    Craig lebte inzwischen seit sechs Monaten von Alexis getrennt, da war es doch nicht verwerflich, eine neue Begleiterin zu haben. Er glaubte auch nicht, dass ihr Alter ein Problem darstellte. So lange er mit einer erwachsenen Frau zusammen war, die das College-Alter hinter sich gelassen hatte, sollte eigentlich alles in Ordnung sein. Schließlich war es dank seiner zahlreichen neuen Hobbys nur eine Frage der Zeit, bis er irgendwo in Begleitung gesehen wurde. Zusätzlich zu den regelmäßigen Besuchen in der Symphony Hall war er nicht nur Stammgast in einem neuen Fitness-Club geworden, sondern auch im Theater, im Ballett und bei einer Reihe von anderen Aktivitäten und gesellschaftlichen Zusammenkünften, an denen gebildete Menschen in einer Stadt von internationalem Rang teilnahmen. Da Alexis sich von Anfang an konsequent geweigert hatte, sich seinem neuen Ich anzuschließen, fühlte er sich jetzt dazu berechtigt, auszugehen, mit wem auch immer es ihm gefiel. Er würde sich nicht davon abhalten lassen, der Mensch zu werden, der er gerne sein wollte. Er war sogar Mitglied des Museums der Schönen Künste geworden und freute sich auf die Ausstellungseröffnungen, obwohl er noch nie eine besucht hatte. Während der anstrengenden, einsamen Jahre, in denen er darum gekämpft hatte, Arzt zu werden – und zwar der beste überhaupt –, hatte er auf solche Vergnügungen verzichten müssen, was hieß, dass er während zehn Jahren seines Erwachsenenlebens das Krankenhaus nur verlassen hatte, um zu schlafen. Und nachdem er schließlich seine Facharztausbildung in innerer Medizin abgeschlossen und seine eigene Praxis eröffnet hatte, hatte er sogar noch weniger Zeit für private Betätigungen gleich welcher Art gehabt, was leider auch sein Familienleben einschloss. Er war ein typischer, intellektuell provinzlerischer Workaholic geworden, der für niemanden außer seinen Patienten mehr Zeit hatte. Doch das änderte sich nun, und Bedauern oder Schuldgefühle, vor allem seiner Familie gegenüber, mussten erst einmal abgelegt werden. Der neue Dr. Craig Bowman hatte die Tretmühle des gehetzten, unbefriedigenden und unkultivierten Alltagslebens hinter sich gelassen. Er wusste, dass manche Menschen seinen Zustand als Midlife-Crisis bezeichnen würden, aber er hatte einen anderen Namen dafür. Er nannte es Wiedergeburt oder, treffender, sein Erwachen.
    Während des vergangenen Jahres hatte sich Craig voll und ganz dem Ziel gewidmet – wenn er nicht gar der Obsession verfallen war –, ein interessanterer, glücklicherer, vielseitigerer, besserer Mensch und dadurch auch ein besserer Arzt zu werden. Auf dem Schreibtisch seiner Stadtwohnung lag ein Stapel Vorlesungsverzeichnisse von verschiedenen örtlichen Universitäten, darunter auch Harvard. Er hatte vor, geisteswissenschaftliche Vorlesungen zu besuchen: vielleicht eine oder zwei pro Semester, um die verlorene Zeit aufzuholen. Und das Allerbeste war, dass er dank seines neuen Lebens seine geliebte Forschung wieder aufnehmen konnte, die
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