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Monströse Welten 3: Toleranz

Monströse Welten 3: Toleranz

Titel: Monströse Welten 3: Toleranz
Autoren: Sheri S. Tepper
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er noch mehr von dem schalen Bier schluckte und sich wünschte, daß er entweder in Toleranz trank oder eine dringende Sache unter Kontrolle bringen mußte.
    Ohne daß Zasper es wußte, existierte besagte dringende Sache bereits, und zwar auf der anderen Seite des Landefelds, wo zwei Erwachsene und ein Kind sich in der Dunkelheit außerhalb der Umzäunung verbargen. Der Name des Kindes war Danivon Luze. Die beiden Erwachsenen waren seine Eltern, Cafferty und Latibor. Sie hatten Danivon ein leichtes Beruhigungsmittel verabreicht.
    »Dort ist es«, sagte Danivons Mutter und schaute durch den Zaun auf das große Rats- Fahrzeug, das nicht weit vom Tor abgestellt war. »Aber da sind auch Wachen.«
    »Warte«, flüsterte Danivons Vater. »Sie haben den Rundgang beendet. In einer Minute werden sie in die Hütte gehen. Das tun sie immer. Sie verbringen fast die ganze Nacht dort drin und zocken und trinken mit ihrem Offizier. Das haben sie noch immer getan, wenn ich sie beobachtet habe…«
    »Ja, aber der Beauftragte ist auch dort drin!«
    Er hob den Kopf und sog die Luft ein, wie ein Tier, das Witterung aufnimmt. »Das macht nichts. Sie werden sich auch von ihm nicht stören lassen.«
    »Es muß in dieser Nacht geschehen«, murmelte Danivons Mutter, wobei die leise Stimme kaum die Hysterie kaschierte, die dicht unter der Oberfläche brodelte. »Es muß in dieser Nacht geschehen.«
    »Cafferty, ich weiß«, sagte er und rüttelte sie sanft an der Schulter. Sie wußten es beide. Wenn sie über die Schulter zur Stadt zurückschauten, sahen sie die dräuende Masse der Tempelpyramide, deren Silhouette sich gegen tausend Lagerfeuer abhob. Die dunkle Masse des Tempels hatte eine schier lebendige Präsenz, wie ein großes, kauerndes Tier, das jeden Augenblick zum Sprung ansetzen und sie jagen würde. Auf dem Gelände dieses Tempels würden in den nächsten Tagen gewisse Riten stattfinden, Riten, in denen das Kind, Danivon Luze, eine besondere und schmerzhafte Rolle spielen sollte. Die Eltern sollten davon eigentlich nichts wissen, aber es war ihnen dennoch zu Ohren gekommen. Die Gefahr war real.
    »Ich frage mich, ob jemand hier in Molock eine Ahnung hat, wo wir stecken«, sinnierte Latibor.
    »Nein«, beruhigte sie ihn, mehr aus Gewohnheit als aus Überzeugung. »Du weißt, daß sie es nicht wissen. Sonst hätten wir es schon längst gemerkt. Diese Sache hat nichts mit uns zu tun. Daß sie Danny für diesen neuen Ritus ausgewählt haben, war purer Zufall. An seinem dritten Geburtstag wanderte sein Name mit den Namen all der anderen Drei- bis Fünfjährigen in den Pott. Wir hätten von vornherein nicht hierher kommen sollen. Wir hatten kein Recht, an einem Ort wie diesem ein Kind in die Welt zu setzen.«
    »So schlimm war es bisher auch gar nicht. Und du wolltest ein Kind«, murmelte er. Mit bebenden Nasenflügeln beobachtete er den Abzug der Wache. »Du wolltest ein Kind.«
    »Wir wollten ein Kind«, korrigierte sie ihn sanft. Er hielt sich in dieser Hinsicht nämlich für vernünftiger als sie. »Oh, Latibor, wir haben doch darüber gesprochen, als wir hierher kamen. Wir wollten alles herausfinden, was es herauszufinden gab und dann verschwinden. Wir wollten schon seit einem Jahr hier weg sein. Statistisch hielten wir das Risiko für vertretbar.«
    Um Entschuldigung heischend schnitt er eine Grimasse. Sie hatte recht. Er hatte sich genauso sehr ein Kind gewünscht wie sie. An Kinder hatten sie zunächst nicht gedacht, als sie angeboten hatten, nach Molock zu gehen. Die alte Frau, Jory, hatte gesagt, sie brauchte Informationen, und weil es ohne Jory weder Cafferty noch Latibor gegeben hätte, schuldeten sie ihr etwas. Doch wo sie nun einmal hier waren und sich an dem freudlosen Ort niedergelassen hatten, wollten sie auch ein Kind haben.
    »Komisch«, sagte er. »Die Risiken anderer Leute sind statistisch. Wenn es sich aber um das eigene Risiko handelt, um das eigene Kind, dann ist es nicht mehr statistisch.«
    »Wir sollten längst hier weg sein«, sagte sie niedergeschlagen. Doch das wußte er selbst. »Wenn wir Jory erreicht hätten… Wenn…«
    »Leider reagiert Jory im Moment nicht auf unsere Nachrichten.« Das beunruhigte ihn auch. Wenn er die Alten nicht erreichte, fühlte er sich immer unsicher.
    »Schnell«, flüsterte sie. »Die Wachen gehen in die Hütte. Hilf mir über das Tor.«
    Cafferty hatte das Gesicht mit einem Schal vermummt, damit die Wachtposten es im trüben Licht nicht erkannten. Sie kletterte über das
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