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Mondtaenzerin

Mondtaenzerin

Titel: Mondtaenzerin
Autoren: Frederica de Cesco
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Ritze zu vergrößern. Vielleicht gelang es mir, ein Loch anzubringen, durch das ich einen Arm zwängen konnte, um das Brett von außen zu lockern. Ich kratzte und rieb, verlor eine Menge Kraft dabei, und nach ein paar Stunden hatte ich die Ritze vielleicht um einige Millimeter vergrößert. Den Wechsel von Tageslicht und Schatten sah ich jetzt etwas deutlicher, aber ich gab mein Vorhaben auf. Ich war vollkommen erschöpft, meine Armmuskeln zitterten. Mir war klar, dass es mir nie gelingen würde, das Brett auch nur um eine Handbreit zu bewegen. Mit weichen Knien kletterte ich wieder hinab, rollte mich in die Decke ein. Ich zitterte und fror, und mir war übel. Ich lag ganz still. Schlafen konnte ich nur noch für kurze Zeit, irgendein Mechanismus in mir war durcheinandergeraten. In Abständen, die ich für angemessen hielt, nahm ich einen Schluck
Wasser, würgte ein Stück Brot hinunter. Die erste Flasche war leer. Vernunft und Menschenverstand sagten mir, dass meine Gefangenschaft noch dauern konnte, und dass ich nur trinken durfte, wenn der Durst zu groß wurde. Und was, wenn die zweite Flasche auch aufgebraucht wäre?
    Ich wachte und schlief, und schlief und träumte. Wirres Zeug, zumeist. Und immer wieder vom Meer, von Wellen, die sich von unten her kreisend auf mich zubewegten, mich einsaugten und mich gefangen hielten in einer Wasserkugel, schwebend im zeitlosen Nichts. Ich schüttelte die Traumbilder ab, machte gymnastische Übungen, um meine steifen Glieder zu lockern. Das auch nur eine Zeit lang, denn hinterher hatte ich Durst, mein Wasservorrat war fast aufgebraucht, und der bittere Speichel in meinem Mund verursachte mir Schluckauf. Irgendwie musste ich bei Verstand bleiben, und am Ende gab es nichts, was ich tun konnte, außer mit aller verbleibender Kraft in die Vergangenheit zu stoßen, mich zu erinnern, wie alles gekommen war. Ich wanderte durch Raum und Zeit, überließ mich der Schwerkraft der Erde, die rückwärts schwebte statt vorwärts, hörte spielende Kinder, die meinen Namen riefen. Ganze Schwärme von Erinnerungen zogen vor meinen Augen vorbei, eine fortlaufende Reihe von Ereignissen. Meine Finsternis war voll von Gestalten, und ich empfand Freude und Spaß ungeteilt und intensiv. Von Zeit zu Zeit kam ich wieder zu Verstand, rief um Hilfe, aber meine Stimme war nur noch ein Röcheln, und danach war ich so erschöpft, dass ich in Fötusstellung am Boden kauerte und nur noch wimmerte. Und auf einmal, irgendwann, vernahm ich durch meine Benommenheit ein fernes dumpfes Geräusch, einen Donnerschlag, der den Boden erzittern ließ und mit langsamem Echo erstarb. Ich fuhr hoch, alle Sinne gespannt, strengte mich an, lauschte. Ein Gewitter? Nein, das Donnern wiederholte sich kein zweites Mal. Das war etwas anderes gewesen. Eine Explosion? Ein Geschützfeuer? Ach, Unsinn! Wir waren
nicht mehr im Zweiten Weltkrieg. Eine Sprengung, vielleicht? Ich hatte keine Ahnung, wo die hätte hochgehen können, ich hatte überhaupt von nichts mehr eine Ahnung. Eine Halluzination, gewiss, teils Geräusch, teils fühlbar. So was mochte vorkommen. Ich wollte nicht verrückt werden, aber ich würde wohl müssen. Was anderes erwartete mich in dieser Dunkelheit, von der Welt abgeschnitten? Ich ließ mich zurückfallen, rollte mich zusammen. Ach, wie lange lag ich schon da? Und ich hatte kein Wasser mehr, kein Brot, nichts. Ich musste mich damit abfinden, dass ich hier verhungerte, vor Durst starb, es war ja keine Hilfe zu erwarten. Weder von der Polizei noch von Peter noch von irgendwem. Und ganz gewiss nicht von Giovanni. Denn Giovanni war ja tot, das wusste ich so sicher wie sonst nichts. Und auch ich war schon so gut wie tot. Noch eine kleine Anstrengung, und ich würde bei ihm sein. Sterben war gewiss unerträglich, weil ich noch vieles durchmachen musste, aber vielleicht am Ende, wer weiß? Vielleicht kam am Ende die Gnade. Aber noch hatte ich Atem in mir, noch pochte mein Herz, schlug hart an die Rippen, und wieder hörte ich Geräusche, die nicht existierten, und Stimmen, die keine Stimmen sein konnten. Diese Geräusche und Stimmen waren dumpf und fern, kamen aber näher. Ich verschloss meine Wahrnehmung, ignorierte sie, so gut ich konnte. Sie störten mich nur, jetzt, da ich beschlossen hatte zu sterben. Ach, warum so laut jetzt? Die Stimmen, das Klopfen und Poltern nun dazu, kamen nur aus meinem überreizten Hirn und waren mir so gleichgültig wie der Zeitverlauf der Tage. Ich ersehnte nichts mehr, weder Essen
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