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Mondspiel: Novelle (German Edition)

Mondspiel: Novelle (German Edition)

Titel: Mondspiel: Novelle (German Edition)
Autoren: Christine Feehan
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halten. Als sie sich geräuschlos durch den Flur zu der breiten Treppe schlich, schmerzte ihre Schulter, eine Erinnerung an die Ereignisse des Tages. Die Lichter waren ausgeschaltet, und im Haus herrschte Stille.
    Dillon würde sie erwarten. Wenn sie sich zu lange Zeit ließ, konnte es sein, dass er sich auf die Suche nach ihr machen würde. Aber sie wollte nicht bei ihm sein, während sie Ordnung in ihre Gedanken brachte. Er lenkte sie ab und nahm ihr das Selbstvertrauen. Das magische Mädchen. Sogar ihre Mutter hatte diesen Namen für sie benutzt, weil sie gewisse Dinge intuitiv wusste, zum Beispiel wenn hinter einem vermeintlichen Unfall in Wirklichkeit etwas viel Unheimlicheres steckte. Seit sie hierhergekommen war, hatte sie sich auf Dillon verlassen. Sie hatte von Dillon erwartet, dass er das Rätsel löste, damit alles wieder gut wurde.
    Gezackte Blitze durchschnitten den Himmel und erleuchteten den Hof, als sie auf dem Treppenabsatz stehen blieb, um durch die Glastüren hinauszuschauen. Sie konnte die Tannen sehen, die sich wie hölzerne Marionetten in einem makabren Tanz ruckhaft bewegten. Dillon bezweifelte, dass jemand versuchte, den Kindern zu schaden. Jessica hingegen war sich dessen sicher, und wenn sie hinter die Wahrheit kommen wollte, musste sie sich auf sich selbst und ihr eigenes Urteilsvermögen verlassen.
    Wenn die Glasscheibe und die Instrumente im Dunkeln lagen, herrschte im Studio eine gespenstische Atmosphäre. Sie nahm eine von Dillons akustischen Gitarren, eine Martin, die er ganz besonders mochte, ließ ihre Finger über die Saiten gleiten und hörte den kleinen Missklang. Genau das waren diese Unfälle: Töne, die nicht ganz stimmten. Ebenso effektiv, wie sie die Gitarre stimmte, musste sie diese Missklänge in reine Töne verwandeln. Sie spielte im Dunkeln, während ihr Verstand die Fakten zusammentrug. Sie schloss die Augen beim
Spielen, um sich von der Musik, Dillons Musik, beschwichtigen zu lassen.
    Sie fügte ein paar zufällige Töne in die Melodie ein, falsche Töne, schräge Klänge, wie die Unfälle, die jedem hätten zustoßen können. Jedem. Das Wort wiederholte sich in ihrem Kopf wie ein Refrain. Wahllose Unfälle. Geheimgänge. Erpressung. Puzzleteile, wie Noten auf Papier. Es genügte, sie zu verschieben und sie anders zusammenzusetzen, und sie würde ein Meisterwerk vor sich haben. Oder eine Lösung.
    Der Donner krachte viel zu nah, der Beckenschlag, das Ausrufezeichen nach der Melodie. In dem Moment, in dem ein weiterer Blitz die Welt erhellte, öffnete sie die Augen. Eine Gestalt ragte direkt vor ihr auf, ein grauenhafter, dunkler Schatten. Jessica sprang auf und packte die kostbare Gitarre wie eine Waffe.
    Mit einem erschrockenen Aufschrei wankte Brenda rückwärts. »Jess! Ich bin es! Brenda!«
    Jessicas Herz schlug laut, als sie die Gitarre langsam sinken ließ. »Was um alles in der Welt tust du hier?«
    »Ich habe dich gesucht. Trevor hat mir gesagt, wo ich dich finden kann. Du bist die Einzige, die mir vielleicht glaubt. Ich weiß nicht, mit wem ich sonst reden könnte.« Brenda hinderte Jessica daran, das Licht einzuschalten. »Ich kann dir nicht ins Gesicht sehen, wenn ich das sage.« Sie holte tief Atem, um sich zu beruhigen. »Ich wollte glauben, dass die Kinder hinter den Streichen stecken, aber ich bezweifle, dass sie es sind. Ich glaube, es ist Vivian.«
    Jessica lief ein Schauer über den Rücken. Sie hätte gern Brendas Gesichtsausdruck gesehen.
    »Ich bin nicht verrückt, Jessie. Manchmal fühle ich ihre Gegenwart.« Brenda presste sich eine zitternde Hand auf
den Mund. »Ich glaube, die Kinder sind in Gefahr, oder Dillon oder vielleicht auch ich, und sie versucht uns zu warnen. Vivian war kein schlechter Mensch, und sie hat an Geister geglaubt. Wenn sie zurückkommen könnte, um die Dinge wieder in Ordnung zu bringen, dann würde sie es tun. Ich hatte schon seit einer Weile befürchtet, dass etwas nicht stimmt. Und seit ich auf die Insel gekommen bin, war ich meiner Sache sicher.«
    »Du glaubst,Vivian öffnet Fenster und zeichnet magische Kreise auf den Boden? Weshalb sollte sie das tun, wenn sie weiß, wie Dillon dazu steht?« Jessica sprach mit ruhiger Stimme. Sie wusste nicht, ob Brenda ihr Angst einjagen wollte oder ob sie das, was sie sagte, tatsächlich glaubte.
    »Um dich, mich, Dillon und die Kinder zu beschützen. Uns alle. Das war die einzige Religion, die sie kannte.« Brenda beugte sich zu ihr vor. »Fühlst du es auch? Sag mir, dass ich
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