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Mondscheintarif

Mondscheintarif

Titel: Mondscheintarif
Autoren: Ildikó von Kürthy
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Eine Zahnbürste, die nicht aussah, als hätte er damit schon seine Milchzähne geputzt, ein Rasierpinsel aus echtem Dachshaar und daneben das altvertraute Pärchen: Elmex und Aronal. Puh.
    Ich sage immer: Mädels, wenn ihr im Bad Davidoffs‹Cool Water› oder Alpecin Forte oder eine Nagelfeile im Zahnputzbecher seht, dann nix wie weg. Dasselbe gilt für schwarze Satinbettwäsche und Topfpflanzen im Schlafraum, alphabetisch geordnete Videokassetten im Wohnzimmer, Trockenblumen in der Küche und ein Schlüsselbrett im Flur.
     
    Kerzenschein auf Dachterrasse. Gutgekühlter Weißwein, warme Luft. Muss ich mehr sagen? Es war perfekt. Wir unterhielten uns noch ein wenig über die Party, fummelten dabei ein bisschen aneinander rum, bis ich mich schließlich, es war ein erhebender, außergewöhnlicher Moment, ins Schlafzimmer tragen ließ.
    Ja, ich sagte: tragen! Das hatte es in meinem bisherigen Liebesleben noch nie gegeben. Normalerweise weigere ich mich strikt, diese romantisch gemeinte Prozedur über mich ergehen zu lassen. Die Gründe dafür liegen wohl auf der Hand. Aber Daniel erschien mir kräftig genug, um mich leicht zu finden.
    Ich glaube, ich kann ohne Übertreibung sagen, dass ich in meinem Leben noch keinen besseren Sex hatte.
     
    Meiner Erfahrung nach ist das erste Mal sonst immer nur deswegen aufregend, weil es das erste Mal ist. DerReiz des Neuen lässt einen über diverse Unstimmigkeiten, was die Choreographie betrifft, hinwegsehen. Da lässt man dann schon mal Dinge mit sich machen, die man bei klarem Verstand und spätestens beim dritten Mal schon im Keim zu ersticken weiß.
    Aus naheliegenden und bereits erwähnten Gründen hasse ich es zum Beispiel, wenn man sich eingehend mit meinen Füßen beschäftigt. Ich bin auch keine Freundin von Zungen, die sich in meine Ohrmuschel bohren, oder Kopulationsstellungen, die mehr als eine durchschnittliche Gelenkigkeit voraussetzen.
    Schlimm sind auch die, Jo nennt sie «Betroffenheits-Bumser», die immer noch glauben, sie hätten es auch im Bett mit einer emanzipierten Frau zu tun. Die wollen dir einfach alles recht und bloß nichts falsch machen, dass sie darüber völlig vergessen, dass der Geschlechtsverkehr ein Akt ist, der auch ihrem eigenen Lustgewinn dienen sollte.
    Auf der anderen Seite der Skala unerwünschter Beischläfer sind die Ego-Rammler, die sich hingegen überhaupt nicht für die seelische und körperliche Beschaffenheit ihrer Partnerin interessieren. Und einem womöglich kurz vor Schluss ein herzhaftes ‹Chica› ins Ohr raunen. ‹Chica› ist, glaube ich, spanisch und heißt so viel wie ‹geile Schnitte›. So was mag man einem Spanier verzeihen. Aber auch nur im Urlaub.
    Ich sag ja immer, dass der Königsweg in der Mitte liegt. Und das tat er in diesem Fall.
    Es war wie   … wie   … der erste Schluck Champagner nach langer Abstinenz   … wie am ersten Urlaubstag jubelnd mit Kleidern ins Meer rennen   … wie ins Bett gehen, wenn man müde ist   … wie hellwach aufstehen   … wie Tiramisu nach einem guten Essen.
    Ich will an dieser Stelle nicht ins Detail gehen. Wobei Detail sowieso das falsche Wort ist.
     
    Gegen vier Uhr morgens kehrte Ruhe ein in Dr.   Hofmanns Schlafzimmer. Ich betrachtete Daniels Schlaf und war überhaupt nicht müde. Sex wirkt auf mich immer sehr anregend. Ich bekomme grundsätzlich Hunger und Lust, meine Steuererklärung zu machen oder den Backofen zu reinigen. Während ich also tatendurstig dalag, überlegte ich, welches Verhalten ich nun an den Tag legen sollte.
    An Einschlafen war nicht zu denken. Und an Aufwachen schon gar nicht. Ich war froh, dass ich nicht sehen konnte, wie ich aussah. Aber ich konnte es mir lebhaft vorstellen. Meine Wimperntusche war sicherlich über meinen ganzen Körper verteilt, mein Gesicht rot gefleckt, und meine Haare fühlten sich an, als hätten sie gar nichts mehr mit meinem Kopf zu tun und wollten demnächst auswandern.
    Mein Bedürfnis, in diesem Zustand nicht neben dem Mann meiner Träume im unerbittlichen Tageslicht aufzuwachen, deckte sich wunderbar mit meinem Bedürfnis, lässig zu wirken. Also stand ich leise auf. Aufs Kopfkissen legte ich einen Zettel: «Hab’s ja geahnt: Es war ein wunderschöner Abend. Vielen Dank.» Dann zog ich mich an und schlich hinaus.
    Ich war natürlich heilfroh, dass die Haustür unten nicht abgeschlossen war. Sascha hatte mal zwei Stunden im Treppenhaus gewartet, als er am frühen Morgen aus einem fremden Bett getürmt war, bis der
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