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Mondnacht - Mordnacht

Mondnacht - Mordnacht

Titel: Mondnacht - Mordnacht
Autoren: Jason Dark
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aber er war gehört worden. Zwei Männer sprangen von ihren Sitzen auf. Sie liefen zur hinteren Bank, fingen aber an zu lachen, als sie sahen, was passiert war.
    Die Frau lachte nicht. Sie war bleich geworden. Ihr Finger steckte noch immer in dem Babymund, und sie spürte, wie sich die Zähne bewegten.
    Blut war aus kleinen Wunden gequollen. Wer genau hingeschaut hätte, der hätte sehen können, wie der Hals des kleinen Kindes zuckte. Wie bei einem Menschen, der trank.
    Auch das Gesicht des Kindes war verzerrt. Es hatte einen bösen Ausdruck bekommen. Die Stirn zeigte ein Faltenmuster, wie es bei älteren Menschen üblich ist, aber nicht bei einem so jungen Kind.
    »Ziehen Sie doch Ihren Finger wieder hervor!« fuhr Dinah die Frau an.
    »Los, machen Sie schon!«
    »Es – es geht nicht. Sie beißt zu fest!«
    Dinah verdrehte die Augen. »Wenn man nicht alles selbst macht«, murmelte sie und beugte sich vor. Es war tatsächlich erschreckend, was Simone da angestellt hatte. Der Finger klemmte zwischen den Zähnen fest.
    Zähne?
    Wieso hatte dieses kleine Kind schon Zähne? Dinah nahm es zunächst hin, dann faßte sie selbst zu und zerrte den rechten Zeigefinger der Frau aus dem Mund ›ihrer‹ Tochter.
    Er hatte tatsächlich etwas abbekommen. Aus mehreren kleinen Wunden quoll Blut, und die Mitfahrerin starrte Dinah an, als wollte sie ihr die Kehle durchschneiden. »Das ist Wahnsinn!« keuchte sie. »Das ist der reine Wahnsinn. Sie haben kein Kind, sondern eine kleine Bestie. Ein Monster!«
    »Regen Sie sich ab. Wickeln Sie sich lieber ein Taschentuch um Ihren Finger.«
    Die Frau hörte nicht. Sie war es leid, neben den beiden zu sitzen, stand mit einem heftigen Ruck auf, nahm ihre Tasche mit und suchte sich einen anderen Platz.
    Dinah Hutton war froh, den Quälgeist los zu sein. Sie blähte ihre Wangen und blies den Atem aus, aber eine gewisse Restspannung blieb dennoch zurück. Nicht nur die fremde Frau hatte sich ungewöhnlich verhalten. Das traf auch auf Simone zu. Sie war ein Baby und doch noch nicht im Zahnalter! Aber sie hatte Zähne und damit auch zugebissen – und wie! Die Wunden sprachen Bände. Als wären Nägel in den Finger gestoßen worden. Seltsam. Dinah war von dem Kind nicht gebissen worden, nur diese fremde, nervtötende Frau, als hätte Simone genau gespürt, wie wenig Dinah die Person leiden konnte.
    Die Fahrgäste hatten sich wieder beruhigt. Keiner von ihnen schaute mehr zurück. Selbst ihre Nachbarin hatte kein Interesse mehr daran, nach hinten zu sehen. Sie saß irgendwo weiter vorn im Bus und würde sich wahrscheinlich ärgern.
    Simone war friedlich geworden. Sie lag in ihren Tüchern auf dem Sitz, als könnte sie kein Wässerchen trüben. Ihre Augen standen offen, und Dinah schaute sie sich an. Sie wollte es nicht glauben, aber der Blick dieser Augen irritierte sie schon. Im Prinzip sah das Kind zufrieden aus, aber die Augen strahlten etwas ab, das Dinah normalerweise nicht gefallen konnte. Und sie glaubte daran, daß es nicht die Augen eines Kindes waren.
    Diese hier sahen älter aus, viel älter, überhaupt nicht wie die eines Kindes, sondern eher wie die eines Erwachsenen. In diesem Blick sammelten sich Wissen und Erfahrung. So etwas gehörte bei aller Liebe nicht zu einem Kind.
    Wenn man überhaupt von einem häßlichen Kind sprechen konnte, gehörte Simone ebenfalls zu dieser Gattung. Ihre Stirn war einfach zu groß. Das gleiche galt für den Mund, den man nicht gerade als klein und lieblich ansehen konnte. Er war breit, mit relativ dünnen Lippen. Fast schon so etwas wie ein Maul. Dann fiel ihr noch etwas auf.
    Zuerst wollte es Dinah nicht wahrhaben, aber der Mund dieses Findelkindes war in die Breite gezogen, als wollte Simone alle Menschen angrinsen, die sich in ihrem Sichtbereich aufhielten. Das Grinsen war wie eine Androhung, eine böse Offenbarung, die zunächst nur am Anfang stand, sich aber verstärken würde.
    Auch Dinah Hutton schauderte zusammen. Sie wußte nicht, wie sie sich dies erklären sollte. Ihre Erfahrung mit Kindern war nicht unbedingt groß, aber ein derartiges Baby hatte sie noch nie in ihrem Leben gesehen.
    Das entsprach so gar nicht den Kindern aus der Werbung. Es war regelrecht häßlich. Zudem ging von ihm etwas aus, mit dem die Frau nicht zurechtkam.
    Eine Aura des Bösen. Etwas, das sie traf, vor dem sie sich jedoch fürchtete. Eine nicht zu begreifende Kraft, etwas anderes, eine Macht, der sie nicht widerstehen konnte. Sie wollte es nicht wahrhaben, aber
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