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Mondglanz

Mondglanz

Titel: Mondglanz
Autoren: Ann Aguirre
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eine Art Tätowierung. Ich nehme mir vor, Vel später danach zu fragen.
    Am Körperbau kann ich es zwar immer noch nicht erkennen, aber Scharis ist eindeutig ein Männchen. Vel hat mir erklärt, wie die Namensgebung auf Ithiss-Tor funktioniert. Die Silbe »Il« bedeutet so viel wie »Sohn von«, »Ib« steht für »Tochter von«. Bei den Ithorianern wird stets der Name der Mutter weitergegeben, also muss Vel, dessen vollständiger Name Velith Il-Nok lautet, aus dem Ei einer Politikerin namens Nok geschlüpft sein.
    Scharis Il-Wan ergreift das Wort. Seine Gesten sind gemessen und fremdartig. Ich beobachte seine Mandibeln, kann die Bewegungen aber nicht so gut interpretieren wie bei Vel; der ehemalige Kopfgeldjäger hat mir mittlerweile öfter das Leben gerettet, als ich zählen kann.
    Vel überlegt eine Weile, dann beginnt er zu übersetzen. »Scharis heißt Sie auf Ithiss-Tor willkommen«, erklärt er. »Er hofft, Sie sind sich der Ehre bewusst, die Ihnen zuteilwird, denn seit zweihundert Umläufen wurde keinem fremden Schiff mehr die Landung gestattet.«
    Zig Male habe ich diese Situation durchgespielt, und trotzdem zittern meine Hände, während ich versuche, etwas Angemessenes zu erwidern. »Das Konglomerat fühlt sich über alle Maßen geehrt von Ihrer Gastfreundschaft und hofft, neue Bande zwischen unseren Völkern knüpfen zu können.«
    Noch während Vel übersetzt, zerbreche ich mir schon wieder den Kopf. Habe ich auch genug gesagt? Oder zu viel? Zweifel frisst an mir, sauer wie umgekippter Wein. Glücklicherweise lässt die Antwort nicht lange auf sich warten.
    »Gut gesprochen«, lässt Scharis Velith übersetzen. »Es würde mich freuen, wenn Sie mich zur Banketthalle begleiten. Wir haben Nachforschungen angestellt und schätzen uns glücklich, etwas gefunden zu haben, das Ihren Gaumen erfreuen wird.«
    Ich bin nicht ganz sicher, ob er von den Ernährungsgewohnheiten der Menschheit im Allgemeinen spricht oder von meinen persönlichen Vorlieben. Ich nicke vorsichtig. »Es wäre mir ein Vergnügen.«
    Scharis führt uns einen Gang entlang, der ebenso lebendig wirkt wie die Empfangshalle. Der ganze Komplex scheint natürlich gewachsen und dann, seinem Verwendungszweck entsprechend, zurechtgestutzt worden zu sein. Im Augenwinkel sehe ich eine Bewegung und erhasche gerade noch einen Blick auf ein kleines Tier, das eilig in der Wand verschwindet. Als ich genauer hinschaue, fällt mir auf, dass Wände und Decken eine honigwabenartige Struktur haben und offenbar innen hohl sind.
    »Ein Wartungsarbeiter«, ruft Vel mir ins Gedächtnis.
    Da fällt es mir wieder ein. An Bord der Triumph hat er mir in einem Crashkurs alles Wichtige über Ithiss-Tor erzählt. Die Ithorianer haben eine Art Bio-Architektur entwickelt, die sich selbst instand hält, wartet und sogar verbessert. Mir wäre ja nicht ganz wohl bei der Vorstellung – ich würde ständig darauf warten, dass sich die kleinen Käfer eines Tages auf die großen stürzen. Andererseits bin ich mit meiner Paranoia wohl kein geeigneter Maßstab.
    Meine Entourage folgt in artiger Zweierreihe: Vel neben Constance, Dina neben Hammer, Jael neben Marsch. Ich mache mir Sorgen um meinen Lover. Er ist nicht mehr der Mann, in den ich mich verliebt habe. Eine Finsternis umgibt ihn, eine Kälte, so eisig wie gefrorener Stickstoff. Wenn ich ihn berühre, weist er mich jedes Mal brutal zurück. Es ist, als wären seine Nerven bis zum Zerreißen gespannt, als wäre er zu keiner freundlichen Regung mehr fähig. Alles, was noch von ihm übrig ist, ist der gnadenlose Killer. Aber vielleicht sollte ich dankbar sein, dass er überhaupt zurückgekommen ist. Er hätte auch einfach verschwinden und sein altes Leben als Söldner wieder aufnehmen können. Er sagt, er kann sich zwar daran erinnern, mich einmal geliebt zu haben, aber er spürt davon nichts mehr.
    Das tut so unglaublich weh, ich darf gar nicht darüber nachdenken. Wenn ich diese Mission hinter mir habe, kann ich mich darum kümmern und nach einer Lösung suchen. Aber jetzt habe ich keine Zeit, mich mit persönlichen Problemen herumzuschlagen. Ich meinte es ernst, als ich sagte, ich würde alles für diesen Botschafter-Job geben, ganz egal, wie viel das Syndikat – und meine Mutter – daransetzen, dass ich versage.
    Ich kann es immer noch nicht glauben: Meine Mutter ist die Chefin des Syndikats, der größten Verbrecherorganisation in der gesamten Galaxie. Illegale Wetten, Glücksspiel, Kreditwucher, Prostitution, Drogen,
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