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Mondglanz

Mondglanz

Titel: Mondglanz
Autoren: Ann Aguirre
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Waffen, Auftragsmord, Erpressung, Schutzgeld, Schmuggel von Sklaven und verbotenen Waren – nichts ist unter ihrer Würde, solange sie nur genug Reibach damit macht. Schlimmer noch, sie schreckt nicht einmal davor zurück, einen interstellaren Konflikt zu provozieren, wenn dabei nur ein bisschen Profit für sie herausspringt.
    Stoisch schreitet Scharis voraus. Es beruhigt mich, dass Vel und Constance bei mir sind. Der Ithorianer führt uns durch eine Reihe wabenartiger Durchgänge, bis wir eine gigantische Versammlungshalle erreichen. Der Raum sieht eher aus wie eine Höhle und ist randvoll mit Kakerlaken. Ich weiß, der Ausdruck ist eine Beleidigung, und ich sollte ihn besser nicht verwenden. Aber solange ich ihn nicht laut ausspreche, ist das ja kein Problem. Okay, ich kann auch Käfer sagen.
    Auf den ersten Blick kann ich nicht den geringsten Unterschied ausmachen: Sie sehen alle gleich aus. Doch während Scharis spricht und Vel aufmerksam zuhört, um zu dolmetschen, fallen mir ein paar Details auf, die Anordnung der Augen beispielsweise oder die Größe der Mandibeln. Manche haben auch farbige Klauen, andere Streifen auf der Brust.
    Constance beugt sich herüber. Sie erklärt mir, was die Farben und Markierungen bedeuten, und mit ihrer Hilfe gelingt es mir, jene Ithorianerin ausfindig zu machen, die hier das Sagen hat, und zwar bei so gut wie allem. Selbst für ihre Rasse ist sie ungewöhnlich groß und schlank. Die Spitzen ihrer Krallen sind rot, und über ihre Brust verlaufen diagonal sechs gelbe Streifen. Sie sind mit Säure hineingeätzt, und niemand sonst trägt sie. Diese Streifen sind das ithorianische Pendant zu den Schulterklappen eines Generals, nur lassen sie sich nicht ablegen wie eine Uniformjacke.
    Vel sagte, ihr Titel ließe sich am besten mit »Große Verwalterin« übersetzen, aber ich habe das Gefühl, sie verfügt über weit mehr Macht, als diese einfache Bezeichnung vermuten lässt. Eine Eskorte von niedriger gestellten Ithorianern umringt sie in einem Halbkreis. Ein paar von ihnen könnten ihre Leibwächter sein, andere scheinen nur unterwürfig ihre Treue beweisen zu wollen. Auf die Männchen könnte beides zutreffen. Nach menschlichen Maßstäben ist sie so etwas wie eine Kanzlerin, und wenn der Rat einmal zugestimmt hat, uns anzuhören, muss sie die Entscheidung akzeptieren, was mich an ihrer Stelle gewaltig wurmen würde.
    Die Große Verwalterin Otlili Ib-Ekei erwidert meinen Blick, und das nicht besonders wohlwollend. Der Stellung ihrer Mandibeln nach sympathisiert sie mit der Oppositionspartei, wenn sie ihr nicht sogar angehört. Auf dem Schiff hat Vel mich vor ihnen gewarnt. Die Oppositionspartei würde nichts lieber tun, als uns allesamt ins Arbeitslager zu den anderen Verbrechern und unheilbar Geisteskranken zu stecken. Nach dem, wie die letzten Begegnungen verlaufen sind, rechnen die Ithorianer uns Menschen beiden Gruppen zu.
    Aber ganz egal, was sie von uns halten, wenn ich hier versage, werden die Morguts nur noch stärker und vor allem tollkühner. Ein eiskalter Schauder durchrieselt mich, und ich muss an das Massaker auf der Raumstation Emry denken. An das kleine Mädchen, das unendlich lange Stunden eingesponnen in diesem grässlichen Kokon verbringen musste. Wären die Jungen aus den Eiern geschlüpft, hätten sie das arme Ding bei lebendigem Leib ausgesaugt, und jetzt wäre nichts mehr von ihr übrig außer einer schrumpeligen leblosen Hülle. Furchtbar. Es gibt nur eins, das noch furchtbarer ist als frisch geschlüpfte Morguts: ausgewachsene Morguts.
    Eine Berührung an der Schulter reißt mich aus meinen Gedanken. »Vel ist jetzt bereit zu übersetzen«, sagt Constance.
    Der Kopfgeldjäger bestätigt ihre Worte mit einem knappen Nicken – eine weitere menschliche Geste, die in seiner natürlichen Gestalt eher bizarr wirkt. »Scharis heißt Sie zu dem Bankett willkommen, das zu Ihren Ehren abgehalten wird. Alle wichtigen Mitglieder der ithorianischen Regierung sind zu diesem wichtigen Ereignis geladen, das ein neues Kapitel in der Geschichte der diplomatischen Beziehungen zwischen Menschen und Ithorianern einläuten wird. Ein eigens eingerichtetes Komitee hat viele Stunden mit der Planung zugebracht, und wir sind sicher, sowohl die Speisen als auch die dargebotene Unterhaltung werden zu Ihrer vollsten Zufriedenheit sein.«
    Kurz gesagt: Hallo, willkommen auf unserem Planeten. Guten Appetit und viel Spaß .
    Eine mindestens sechs Meter lange Tafel wird hereingerollt. Auf
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