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Monde

Titel: Monde
Autoren: Dan Simmons
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Leute sagen, und sie ihnen später ins Gedächtnis zu rufen. Oder daran, dass sie sich nie mit Erklärungen zufriedengibt, die uns anderen genügen. Wie auch immer, als ich in Indien die Möglichkeit dazu hatte, habe ich versucht, es so einzufädeln, dass ihr ein paar Tage Zeit haben würdet, euch kennenzulernen.«
    Baedecker starrte seinen Sohn an. »Willst du damit sagen, darum hast du sie mich am Flugzeug in Neu-Delhi abholen lassen? Darum hast du mich eine Woche warten lassen, bevor ich dich in Poona sehen durfte?«
    Scott aß sein Ei zu Ende, tupfte sich den Mund mit einer kleinen Serviette ab und zuckte fast unmerklich die Schultern.
    »Ich fasse es nicht«, sagte Baedecker und musterte seinen Sohn mit finsterer Miene.
    Scott grinste, und zwar so lange, bis Baedecker feststellte, dass er zurückgrinste.  
    Als der Start abgesagt wurde, fehlten nur noch drei Minuten bis zur Zündung. Baedecker und Scott saßen im VIP-Bunker in der Nähe der Konstruktionshalle und beobachteten, wie die hohen Zirruswolken im Westen immer mehr von Gewitterwolken verdrängt wurden. Der Start war für 9.54 Uhr geplant. Um 9.30 Uhr ballten sich die Wolken direkt über der Startrampe, die Windgeschwindigkeit war auf fünfundzwanzig Knoten gestiegen, was dicht am zulässigen Maximum lag. Um 9.49 Uhr konnte man im Norden Blitze erkennen, und es fing an zu regnen. Baedecker erinnerte sich, wie er im selben Bunker gesessen hatte, als ein Blitz beim Start in Apollo 12 einschlug, sämtliche Instrumente im Kommandomodul lahmlegte, und Pete Conrad einige unschöne Dinge über die Liveschaltung von sich gab. Um 9.51 Uhr wurde über Lautsprecher durchgegeben, der Start sei verschoben worden. Wegen eines sehr kleinen Startfensters – nicht einmal eine Stunde – wurde der Countdown fü r den nächsten Tag zwischen vierzehn und fünfzehn Uhr festgesetzt. Um 10.03 Uhr verkündeten die Lautsprecher, dass die Astronauten das Shuttle verlassen hatten, aber die Stimme sprach zu leeren Tribünen, da sich die Zuschauer bereits durch den zunehmenden Regen zu Autos oder Unterständen flüchteten.
    Baedecker ließ Scott den gemieteten Beretta fahren, während die Autoschlange im Schritttempo nach Westen kroch. »Scott«, sagte er, »was hast du für Pläne, falls der Start morgen über die Bühne geht?«
    »Was ich bisher auch vorhatte«, sagte Scott. »Ich fahre ein paar Tage nach Daytona und besuche Terry und Samantha. Nächstes Wochenende fliege ich dann nach Boston zu Mom, wenn sie aus Europa zurück sind. Warum?«
    »Ich wollte es nur wissen«, sagte Baedecker. Er beobachtete die Scheibenwischer bei ihrem vergeblichen Versuch, mit dem Wolkenbruch fertig zu werden. Bremslichter leuchteten in der langen Schlange vor ihnen auf. »Eigentlich«, sagte Baedecker, »habe ich mir überlegt, ob ich heute nach Boston fliegen soll. Wenn ich bis nach dem Start warte, habe ich nicht mehr genügend Zeit vor meinem Termin in Austin am Montag.«
    »Boston?«, sagte Scott. »Oh, ja … das ist vielleicht keine schlechte Idee.«
    »Würdest du dann heute Abend noch nach Daytona fahren?«
    Scott überlegte einen Moment und trommelte dabei mit den Fingern auf dem Lenkrad. »Nein, glaub nicht«, sagte er. »Ich hab Terry schon angekündigt, dass ich morgen Abend oder am Sonntag eintreffen würde. Ich glaube, ich bleibe hier und schau mir den Start an.«
    »Macht dir das auch nichts aus?«, fragte Baedecker und sah seinen Sohn an. In den Monaten, die sie im vergangenen Frühling und Sommer zusammen verbracht hatten, hatte Baedecker gelernt, Scotts ehrliche Reaktionen viel besser einzuschätzen.
    »Nein, macht mir nicht das Geringste aus«, sagte Scott mit aufrichtigem Grinsen. »Fahren wir zum Motel und holen deine Sachen.«
    Als sie auf den Highway 1 abbogen, hatte der Regen schon deutlich nachgelassen.
    »Ich hoffe, Thanksgiving war keine allzu große Enttäuschung fü r dich«, sagte Baedecker. Sie hatten allein im Hotel gegessen, bevor sie zum Kaffee mit der Besatzung gegangen waren.
    »Soll das ein Witz sein?«, sagte Scott. »Es war toll.«
    »Scott«, sagte Baedecker, »macht es dir was aus, wenn ich dich nach deinen Plänen frage? Ich meine deine längerfris t igen Pläne.«
    Sein Sohn strich sich mit den Fingern durch das kurze, nasse Haar. »Ich denke, ich werde eine Weile bei Mom bleiben. Das Semester abschließen.«
    »Du wirst es definitiv beenden?«
    »Mit fünf Wochen bis zur Abschlussprüfung? Auf jeden Fall.«
    »Und danach?«, fragte Baedecker.
    »Nach
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