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Mörder im Zug

Mörder im Zug

Titel: Mörder im Zug
Autoren: Frank Goyke
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toten Räume.
    Nachdem sie all dies von Helmich erfahren hatten, beschlossen Barbara und Uplegger, sich selbst ein Bild zu machen.
    Das Haus in der Seekoppel unterschied sich von denen der Umgebung nur dadurch, dass es frischen Putz vertragen konnte; ansonsten war es ein gewöhnliches Einfamilienheim mit spitzem, ziegelgedecktem Dach. Es trug auch nicht diese hässlichen glasierten Ziegel, sondern solche, die Moos ansetzten, was gar nicht ungemütlich wirkte. Und trotzdem spürte Barbara sofort, dass mit dem Haus etwas nicht in Ordnung war. Sie glaubte nicht daran, dass Häuser eine unheimliche Ausstrahlung haben konnten, aber dieses hier hatte eine.
    Es lag nicht an dem verwilderten Vorgarten und auch nicht an dem Gerümpel unter den nie beschnittenen Bäumen. Es lag nicht an den zerbrochenen Gehwegplatten. Woran aber lag es dann?
    »Komisches Anwesen«, sagte sie zu Uplegger. »Mir läuft es kalt über den Rücken, ohne dass ich sagen kann …«
    »Die Fenster.«
    »Was?«
    »Es sind die Fenster. Auch wenn es keine Gardinen gibt, ahnt man doch wenigstens das Dahinter. Hier nicht. Man sagt ja, dass die Fenster die Augen eines Hauses sind. Dies sind die Augen einer Leiche.«
    »Richtig.« Barbara spürte, wie sogar ihre Fingerspitzen erkalteten. So etwas passierte ihr nur äußerst selten, und sie wandte sich zu Helmich und Krüger um. »Haben Sie sich schon auf dem Grundstück umgeschaut?«
    Die beiden schüttelten den Kopf und gingen voran über die brüchigen Platten in den Garten, der seit vielen Jahren die Hand eines liebevollen Pflegers vermissen musste. An den Obstbäumen wucherten die Wassertriebe, den bereiften Boden bedeckten Äpfel und Birnen in verschiedenen Stadien der Fäulnis, eine rostige Harke streckte die Zinken nach oben. An der Hauswand lehnte ein Fahrrad, weiter links stand ein Schuppen aus roh gefügten Balken. Die Tür war nur angelehnt. Helmich zog sie auf, was ihm einige Mühe abverlangte, denn auch die Scharniere waren verrostet.
    Neben allerlei Gartengerät und Werkzeugen, alles in desolatem Zustand, befand sich auch eine Werkbank mit einem Schraubstock in der Bude. Auf der Werkbank lag eine Plastiktüte von netto , die viel zu klein war für den Inhalt, den man in sie gestopft hatte: eine helle Daunenjacke. Auf den ersten Blick war zu erkennen, dass sie mit Blut befleckt war, das einen rostroten Ton angenommen hatte.
    Barbara wandte sich an die Männer vom KDD: »Brechen Sie die Haustür auf!«
    Uplegger ging zuerst ins Haus. Schon in der kleinen Diele schlugen ihm die Kälte und der muffige Geruch einer Gruft entgegen, sein Herz krampfte sich zusammen. In der Diele gab es kaum Möbel, eine Wandgarderobe, einen Garderobentisch, einen Schuh- und einen Besenschrank. Alles war zertrümmert, die Garderobe von der Wand gerissen. Kleidungsstücke lagen auf dem Boden, Schuhe waren verstreut. Aber das war es nicht, was ihm so zusetzte. Es war etwas anderes: Zwei Wände waren aufgestemmt und die Kabel waren herausgerissen worden. Der Sicherungskasten stand offen. Sämtliche Sicherungen fehlten.
    »Oh, mein Gott!« Barbara war nun auch hereingekommen, und ihm war, als spüre er ihren Atem.
    Von den drei zur Auswahl stehenden Türen öffnete er die erste links. War in die Diele noch Licht durch die Haustür gefallen, war der nächste Raum stockdunkel. Nach einem Lichtschalter zu tasten war unsinnig, also drehte er sich um. Helmich stand in der Haustür, erkannte sofort, was gebraucht wurde, und ging eine Stabtaschenlampe holen. Uplegger sagte kein Wort. Barbara sagte kein Wort. Auch das Haus schwieg.
    Der zweite Raum war offenbar einmal das Wohnzimmer gewesen, aber auch hier sah es aus wie nach einer Naturkatastrophe. Uplegger ließ den Lichtkegel der Lampe über die zerschlagenen Möbel gleiten, über die aufgeschlitzten Sessel, über die aufgerissenen Wände. Lose Kabelenden ragten in den Raum. Der Fernseher war implodiert, die Stereoanlage lag in Trümmern.
    Und die beiden großen Fenster zur Straße waren mit schwarzer Folie zugeklebt.
    »Gehen wir wieder raus«, sagte Barbara. Uplegger nickte und folgte ihr. Im Vorgarten riefen sie die Spurensicherung.
    Als die Kollegen eingetroffen waren, warteten Barbara und Uplegger draußen. Helmich und Krüger leisteten ihnen Gesellschaft. Wenn ihnen kalt wurde, gingen sie ein paar Schritte. Schließlich ergriff Krüger das Wort: »Ich weiß nicht … Mir ist ganz blümerant. Irgendwie paranoid. Ich habe das Gefühl, von überall beobachtet zu werden.« Er
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