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Möbel zu Hause, aber kein Geld für Alkohol: Kreuzberger Szenen (German Edition)

Möbel zu Hause, aber kein Geld für Alkohol: Kreuzberger Szenen (German Edition)

Titel: Möbel zu Hause, aber kein Geld für Alkohol: Kreuzberger Szenen (German Edition)
Autoren: Klaus Bittermann
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paar Leute zerren ihn weg. »Den sollte man nach Mallorca abschieben«, schlage ich vor. Nadja hat eine bessere Idee: »Zwei Hells Angels engagieren. Einfach nur zum Rumlungern und zum Einschüchtern.«

Geburtstagsparty
    Luggi Lugmeier hat im »Froschkönig« zu seinem 60. Geburtstag geladen. Und wenn ein ehemaliger Geldtransportüberfaller einlädt, dann kommt man besser. Ich überlege, ob ich ihm eine aus Seife geschnitzte und mit schwarzer Schuhcreme eingeriebene Pumpgun schenken soll, denn eine Zeit lang war das ja der Hit bei Ausbrechern. Aber damit käme ich jetzt ein bisschen zu spät, denn Luggis letzter Geldtransport liegt schon über dreißig Jahre zurück. Außerdem geht schwarze Schuhcreme ganz schlecht wieder ab. Da kann man dann gleich seine Fingerabdrücke bei der Polizei hinterlassen.
    Dann fiel mir noch ein, dass es juristisch gesehen keinen Unterschied macht, ob man mit einem Stück Seife eine Bank überfällt oder mit einer echten Knarre. Das wusste ich von einem Freund, der das auch nicht wusste und sich vorher auch nicht informiert hatte, und dann war es zu spät und das Gericht verknackte ihn zu sechs Jahren für einmal in die Bank gehen und »Zaster her!«-Rufen. Weil aber niemand auf seine Spielzeugpistole reinfiel, wurde er auf der Stelle eingesackt. Nadja findet das total ungerecht.
    Ich schenke dem Ex-Geldtransportüberfaller eine Flasche Wein, ein Buch und eine CD. Darauf schreibe ich jeweils: »Guter Wein«, »Gutes Buch« und »Gute Musik«. Ich denke, es wäre vielleicht nicht schlecht, dies extra zu erwähnen, weil die anderen wahrscheinlich auch Wein, Musik und Bücher schenken. Und da will man sich ja schon ein bisschen von abheben.
    Er kriegt dann aber einen Freisprung aus 4000 Metern Höhe. Ich glaube mit Fallschirm, obwohl das nicht extra erwähnt wurde. Schließlich wird noch eine Arie und ein sehr ergreifendes norddeutsches Heimatlied gesungen und die anarchistische Besäufniskomödie »Der Firmling« mit Karl Valentin gezeigt, der innerhalb von fünf Minuten in einer Gaststätte ein totales Chaos anzettelt. Das bleibt dann aber aus.

Baumpatenschaft
    Jeden sonnigen Sommermorgen fahre ich auf dem Weg ins Prinzenbad beim Urbanhafen an einem alten Baum mit mächtiger Krone vorbei, der am leicht abschüssigen Hang hin zum Kanal sich dagegen zu stemmen scheint, ins Wasser zu kippen. Das ist jetzt noch nicht so interessant, höchstens für © TOMs Naturtante, die hingebungsvoll Bäume umarmt.
    Um diesen Baum herum tut sich jedoch Seltsames. Es sieht ein wenig aus wie eine Kunstinstallation, könnte aber auch einfach nur liebevoll arrangierter Müll sein.
    Sobald in einem öffentlichen Raum private Gegenstände herumliegen, habe ich eine instinktive Scheu nahezutreten, aber dann wage ich es doch. Auf den aus dem Boden ragenden Wurzeln liegen Plastikplanen, ich entdecke eine Kronkorkensammlung, eine rote Paprikaschote, verwelkte Blumen, Einkaufstüten von Plus, Plastikschachteln, Besteck, Lametta und andere Dinge, die man an diesem Ort nicht unbedingt vermuten würde.
    »Interessierste dich für dette hier?«, fragt ein Mann mit verwuschelten Haaren, der sich unbemerkt genähert hat. Er sieht nicht wie jemand aus, der einem unbedingt ein Ohr abkauen will. Er erklärt mir, dass der Baum unter seinem besonderen Schutz stehe. Er hätte viel zu leiden gehabt, weil sich »Palästinenser oder Araber, det weeß ich jetzt nicht so genau«, an seinen Wurzeln gerieben hätten, und deshalb würde er sie mit einer Plane schützen, damit sie sich wieder erholen könnten, denn sonst würde der Baum seine Orientierung verlieren. Ich nicke andächtig.
    Er sagt das ohne missionarischen Eifer, eher professionell. Am Ende der Führung sagt er: »Siehst ja nicht aus wie diese abgestandenen Leute sonst hier, wa. Biste von der Presse? Artikel sind mir egal, aber wenn du Mercedes für ne Patenschaft gewinnen könntest, da würde ich nicht nein sagen.«

Notaufnahme
    Manche sitzen in der Notaufnahme, um Kasse oder Privat zu raten und eine Ferndiagnose zu stellen. Wie z.B. der zu einem Mann umgebaute Schriftsteller Simon Borowiak. Eigenartiges Hobby, aber auch nicht eigenartiger als inmitten nackter Menschenmassen in der Sonne zu braten. Borowiak hat große Erfahrungen in der Elendsforschung gesammelt und ist ein Fachmann. Aber manchmal ist das selbst für einen Laien wie mich gar nicht schwer.
    Kasse, wenn überhaupt, und gaga vermute ich, als ein Mann in leicht verwahrlostem Zustand und flatternden
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