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Mittsommersehnsucht

Mittsommersehnsucht

Titel: Mittsommersehnsucht
Autoren: Elfie Ligensa
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euch!«
    Magnus zog sich die Bettdecke höher. »Es ist erst kurz vor sieben und noch stockdunkel.« Er gähnte verhalten.
    »Tja, so ist das eben als Landärztin – man muss rund um die Uhr erreichbar sein. Außerdem ist es sowieso Zeit aufzustehen. Los, raus aus den Federn, mein Schatz! Du wolltest heute dein Büro einrichten.«
    »Sklaventreiberin!« Magnus wollte nach ihr greifen, doch sie entzog sich ihm. »Jetzt nicht, ich muss so schnell wie möglich los.« So, wie sie es seit Jahren trainiert hatte, kleidete sie sich an und warf sich, schon im Hinausgehen, noch einen Schal um den Hals. »Der Notruf kam von Birte Henning. Sie und ihr Mann vermieten ein paar kleine Rorbuer in der Nähe des Hafens. Ein Mieter hat starke Herzprobleme.« Sie beugte sich übers Bett und hauchte einen Kuss auf Magnus’ Nasenspitze, die gerade noch zu sehen war. »Faulpelz!«
    »Ich liebe dich auch.« Er gähnte und verschränkte die Arme hinter dem Kopf, während er ihr nachschaute. Sie warf ihm noch einen flüchtigen Luftkuss zu, dann war sie schon draußen.
    Es hatte gefroren, und Andrea musste erst einmal die dünne Eisschicht von der Frontscheibe kratzen, ehe sie losfahren konnte. Eine Garage zu bauen wäre im nächsten Jahr auch sinnvoll, dachte sie, während sie zum Hafen fuhr.
    Wie immer beeindruckte sie auch an diesem frühen Morgen das großflächige Wandgemälde an einem Lagerschuppen, der gleich am Hurtigruten-Kai stand. Ein amerikanischer Künstler hatte es geschaffen, der seit Jahren in Stamsund lebte und arbeitete. Überhaupt faszinierte es Andrea immer wieder aufs Neue, wie viele Künstler sich gerade an diesem Ort niedergelassen hatten. Im Grunde war Stamsund auch heute noch, mehr als hundert Jahre nach seiner Gründung, ein Fischerdorf. Der Hafen, geschützt von vielen kleinen Inseln, beherbergte die größte Fischereiflotte der Lofoten. Immer wieder traf man im Ort auf die riesigen Holzgestelle, die zeigten, wie aufwendig die Herstellung des Trockenfisches auch heute noch war.
    Nach knapp zehn Minuten hielt Andrea vor Birte Hennings Haus, das aus grobem Stein gebaut war und ziemlich wuchtig wirkte. Wie mit einem Pinsel aufgetupft, standen sieben rotbraune kleine Rorbuer westlich des Hauses.
    »Doktor Andrea! Gut, dass du so schnell kommen konntest.« In einem dicken Norwegerpulli kam die zierliche Birte auf den Wagen zu. »Dort ist es, die Nummer drei!« Sie wies nach links. »Kommst du allein zurecht? Ich muss für ein paar Engländer Frühstück machen, sie wollen gleich abreisen.«
    »Kein Problem.« Andrea griff nach ihrer braunen Arzttasche und ging auf die Hütte zu. Die Tür war, wie sie feststellte, nur angelehnt. Nach kurzem Klopfen trat sie ein.
    »Hallo, ich bin die Ärztin.« Suchend sah sie sich um. Der große Raum, der sowohl Wohnraum als auch Schlafstätte war, war leer. Das Bett im hinteren Teil wirkte unbenutzt.
    Andrea runzelte die Stirn, als sie einen großen Strauß roter Rosen auf dem Tisch stehen sah.
    »Du bist gekommen. Ich bin so froh!«
    Andrea zuckte zusammen. Ungläubig sah sie Jonas Fredriksen an. »Du? Was machst du denn hier?«
    »Ich wollte dich sehen.«
    »Und – der Patient?«
    »Bin ich.« Jonas trat näher und streckte die Arme nach ihr aus.
    Instinktiv wich Andrea zwei Schritte zurück. »Es gibt also keinen Kranken hier? Niemanden mit Herzproblemen?«
    »Doch. Mich. Ich habe Herzprobleme. Große sogar. Und nur du kannst mich heilen.« Jonas versuchte sich an einem zerknirschten Gesicht, doch er konnte sich ein Grinsen letztendlich doch nicht verkneifen. »Andrea, glaub mir, ich war der größte Idiot unter der Sonne. Und ich hab schon tausendmal bereut, dich so verletzt zu haben.« Er wurde ernst, als er hinzufügte: »Verzeih mir endlich, ich flehe dich an!« Er drehte sich um und griff nach den roten Rosen. »Hier, für dich.«
    »Lass den Unsinn!« Andrea wandte sich zur Tür. »Es ist unverschämt von dir, mich unter einem solchen Vorwand hierherzulocken.« Die Rosen, die um diese Zeit sicher ein Vermögen gekostet hatten, ignorierte sie.
    »Aber …«
    »Nein, da gibt es nichts zu beschönigen. Ich bin Ärztin, habe Dienst … und eventuell braucht gerade jetzt jemand wirklich meine Hilfe. Aber ich lass mich von dir wieder mal verarschen.« Ihre Wangen waren vor Zorn hochrot geworden. »Du bist das Letzte, Jonas. Ebenso treulos wie gewissenlos.«
    »Was hätte ich denn tun sollen? Hättest du dich denn ganz normal mit mir getroffen, wenn ich dich angerufen
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