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Mitternachtsschatten

Mitternachtsschatten

Titel: Mitternachtsschatten
Autoren: Anne Stuart
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gehaltenen Wartezimmer lag eine geschmackvolle Auswahl an Zeitschriften, die sich überwiegend mit dem Zigarrenrauchen beschäftigten, was Jilly nicht sonderlich faszinierte. Die Ledercouch war bequem, und durch das Fenster hatte man einen schönen Blick über Los Angeles. An einem klaren Tag hätte sie die Hollywood Hills sehen können, vielleicht sogar die Turmspitzen der Casa de las Sombras, dieser ehemals herrschaftlichen Villa, in der sie mit ihren Geschwistern lebte. Doch Smog und Herbstnebel verwehrten ihr die Sicht auf Los Angeles, und sie fühlte sich wie gefangen in dem leblosen, gut gekühlten Glaskasten.
    Sie hatte sich passend für eine Auseinandersetzung mit ihrem Vater gekleidet, sie trug ein schwarzes Leinenkostüm mit ein paar hellbraunen Akzenten. Ihr Vater schätzte es, wenn Frauen sich gut kleideten, und wenigstens einmal wollte sie seine Regeln einhalten. Das, was sie dafür bekäme, war jeden Einsatz wert.
    Da er sie so lange warten ließ, würde er sich jedoch mit ihren zerknitterten Klamotten abfinden und ihr zuhören müssen, trotz der Knitter, trotz allem.
    Sie kickte die Schuhe von ihren Füßen, kuschelte sich in die Ecke des grauen Ledersofas und zog ihren kurzen Rock so weit herunter, wie es nur ging. Dann kramte sie in ihrer Tasche nach der Puderdose, bis ihr einfiel, dass das die Handtasche war, die Melba ihr letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt hatte, und nicht die, die sie üblicherweise benutzte. Sie hatte nur ihre Geldbörse und ihren Ausweis eingesteckt, keinen Puder, kein Make-up, nur einen kleinen Kamm, mit dem sie bei ihrem dichten Haar nichts würde ausrichten können. Sie schloss die Tasche wieder, lehnte sich zurück, seufzte und versuchte, sich zu entspannen.
    Es war lächerlich. Sie war fast dreißig, eine starke, unabhängige und gebildete Frau, und sie hatte noch immer Angst vor ihrem Vater. Während der letzten beiden Jahrzehnte hatte sie alles Mögliche ausprobiert, von Meditation bis hin zu Beruhigungsmitteln, Psychotherapie und Selbstverteidigungs-Training. Und jedes Mal, wenn sie geglaubt hatte, ihre Angst besiegt zu haben, präsentierte Jackson Meyer sie ihr auf einem Silbertablett. Und nun war sie hier, um wieder eine Portion zu nehmen.
    Co-Abhängigkeit war ein Fluch. Für sie wäre es einigermaßen leicht gewesen, sich dem Einfluss ihres Vaters zu entziehen. Er interessierte sich nicht für sie, wahrscheinlich bemerkte er es nicht einmal, wenn sie sich jahrelang nicht sahen. Ihr Vater hatte sich entschieden und lebte sein Leben, wie es ihm gefiel. Sie konnte ihm nicht helfen, selbst wenn er das gewollt hätte.
    Ganz anders sah es bei ihren Geschwistern aus. Rachel-Ann war nicht Jacksons richtige Tochter, er hatte sie adoptiert. Und sie war vermutlich sowieso nicht mehr zu retten, alles, was Jilly ihr noch geben konnte, war Liebe. Und Dean? Seinetwegen war sie hergekommen, hatte sie den Löwenkäfig betreten, um zu kämpfen. Für ihre Geschwister war sie bereit, alles zu tun.
    Dean saß schmollend zu Hause an seinem geliebten Computer. Wieder einmal hatte Jackson es geschafft, seinen Sohn herabzusetzen und zu beleidigen, wie er es seit ewigen Zeiten schon tat, wieder einmal hatte Dean es hingenommen und sich nicht gewehrt.
    Jackson hatte Dean als Leiter der Rechtsabteilung durch einen Mann namens Coltrane ersetzt. Offenbar vertraute er einem Fremden mehr als seinem eigenen Sohn. Dean hatte eine Gehaltserhöhung bekommen und keine Arbeit, womit sein unbarmherziger Vater ihn völlig gedemütigt hatte.
    Jilly wollte anstelle ihres Bruders kämpfen. Sie konnte nicht einfach zusehen, wie er sich hinter seinem Computer verschanzte, sich völlig aufgab und seinen Platz einem Eindringling überließ.
    Wenn sie objektiv war, musste sie zugeben, dass Dean nur zu gerne das Opfer spielte. Er hatte niemals versucht, einen anderen Job zu bekommen. Gleich nachdem er sein Juraexamen bestanden hatte, nahm er den hoch bezahlten Job in der Firma seines Vaters an. Er hatte sich arrangiert, ertrug Jacksons Beschimpfungen, war ein absoluter Jasager und hoffte noch immer verzweifelt auf die Anerkennung seines Vaters.
    Auch diesmal hatte er seinen Vater nicht zur Rede gestellt, sondern war nach Hause geeilt, hatte sich betrunken und an der Schulter seiner Schwester ausgeheult. Deswegen war sie hier. Sie wollte ihrem Bruder helfen. Auch wenn sie wusste, dass ihre Chancen nicht besser standen als die eines Schneeballs in L.A., musste sie es wenigstens versuchen.
    Jilly legte den Kopf
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