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Mit Schwert und Magie

Mit Schwert und Magie

Titel: Mit Schwert und Magie
Autoren: Hans Kneifel
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zog seinen Dolch und hämmerte mit dem Knauf gegen die Bohlen des eingelassenen kleinen Durchgangs im linken Torflügel. Aus der Ferne erklang der langgezogene Schrei eines Yarls.
    Das Tor schwang auf. Es war gerade groß genug, um einen Orhako-Reiter hindurchzulassen.
    Grimmige, verschlafene Posten starrten die Ankömmlinge an und hielten ihre Lanzen gesenkt.
    »Was wollt ihr?« fragte ein Soldat mit gezogenem Krummschwert, das Wappen des Shallad auf dem ledernen Brustharnisch.
    »Laßt uns ein. Wir wollen zu Abd’Shahid, dem Kaufmann im Turm.«
    »Woher?«
    »Aus Horai. Wir bringen seinen toten Bruder. Er soll im Haus einbalsamiert werden. Es ist ein trauriger Anlaß, Mann, darum lasse uns durch.«
    »Mit all den Waffen?«
    »Wir kommen von weit her, und du weißt selbst«, erwiderte Aymloor demütig, »wie es im Land aussieht. Oft mußten wir uns gegen aufständische Räuber verteidigen. Laßt uns zu Shahid. Er ist in tiefer Trauer.«
    Ein anderer Wächter sagte gähnend:
    »Ich kenne den Händler. Er wartet auf den Toten.«
    »Und ich kenne den Befehl Hadamurs. Meinst du, ich will dort oben hängen?«
    »Ich noch viel weniger. Durchsuchen wir sie also. Einer nach dem anderen und der Kerl auf dem Vogel zuletzt.«
    Aymloor breitete die Arme aus, zeigte seine Waffen - es waren nur zwei Dolche -, leerte den Sack, der Nahrungsmittel enthielt, aus, öffnete seinen nassen Mantel und warf ihn, als der Posten nach versteckten Taschen gesucht hatte, über die Schulter. Darfoon wurde als nächster eingelassen, dann zwei Ay-Krieger, die auf den Pferden der Jerim-Rebellen ritten. Der Kreis der Wächter um die Gruppe wurde dichter, mehr Wächter kamen herbei und fingen gähnend ihren Dienst an. Aus den offenen Türen der Wachstuben drang der Geruch der erkaltenden Feuerschalen.
    Aymloor und Darfoon lehnten sich gegen die Mauer des Torturms und behielten den Reiter mit dem verhüllten Gesicht im Auge, und als die abgesessenen Ay und Jerim an ihnen vorbei waren, zog ein Rebell das Pferd, auf dem man die Leiche festgebunden hatte, durch das Tor.
    »Der Tote?« schnarrte ein Posten. Aymloor nickte mehrmals und stieß hervor:
    »Der Bruder, der verschieden ist - du wirst sehen, daß er wirklich tot ist. Oder denkst du, wir schleppen uns mit Lebenden ab?«
    Mit raschen Griffen entfernten sie den Umhang vom Oberkörper des sitzenden Reiters. Sein Rücken war an ein Holzgestell gebunden, die Unterschenkel an den Sattelgurt geschnürt. Als die Mantelsäume auseinanderklafften, blickten die Wachen ebenso überrascht wie Lamir und Jerim in ein aufgedunsenes, fast blaues Gesicht, dessen Lippen sich zu einem häßlichen Lächeln auseinandergezogen hatten. Der Tote sah aus wie ein Gehenkter, aber man sah deutlich die Stellen, an denen schon die graue Salbe der beginnenden Mumifizierung aufgetragen worden war. Über der Brust trug der Leichnam die weißen Totenbinden, und seine Arme lagen gekreuzt und an die Brust gebunden. Handgelenke und Finger waren zu hautüberzogenen Knochen verdorrt. Der Torwächter winkte und bedeckte entsetzt seine Augen mit der flachen Hand.
    »Er ist tatsächlich tot!« stellte er murmelnd fest. Im gleichen Augenblick, als der regungslose Mann auf dem Rappen durch das Tor kam, schlug er mit einer knappen Bewegung des rechten Unterarms den Mantel zurück.
    Eine zweite Bewegung streifte die Kapuze von dem Kopf. Lamir und Jerim starrten in ein uraltes, unglaublich verfallenes Gesicht.
    Der Mann öffnete einen schmalen, verzerrten Mund und fragte mit tiefer, stockender Stimme:
    »Warum geht es nicht schneller? Ich sehne mich nach einem warmen Feuer! Macht schnell!«
    Beim Sprechen enthüllte er gelbe Zähne, die klapperten und einzeln gegeneinanderschlugen. Seine Augen richteten sich auf die Torwächter. Es waren kleine, farblose Augen unter einem breiten Knochenvorsprung und schneeweißen Brauen.
    »Schon geht es weiter, Großvater!« sagte Lamir, stieß ein langgezogenes Stöhnen aus und griff in die Saiten. Durch die leeren, feuchtigkeitstriefenden Mauern erschollen seine klirrenden Akkorde. Der uralte Mann auf dem Pferd hob, als würde ihn der Klang martern, eine Hand an die Ohren. Die Finger steckten in einem ledernen Handschuh.
    »Macht schneller!« rief ein Posten. »Das alles am frühen Morgen. Das schlägt auf den Magen.«
    Der alte Reiter saß unbeweglich auf dem Pferderücken, als das Tier weiterging. Seine blicklosen Augen starrten über die Menge hinweg. Der weiße Bart an der Oberlippe und am Kinn
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