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Mit Fünfen ist man kinderreich

Mit Fünfen ist man kinderreich

Titel: Mit Fünfen ist man kinderreich
Autoren: Evelyn Sanders
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sogar bis an das Haus heran. Unser Grundstück grenzte an sogenanntes Bauerwartungsland, und dessen Eigentümer sah keine Veranlassung mehr, den ursprünglichen Acker weiterhin landwirtschaftlich zu nutzen. So wucherten dort alle nur denkbaren Unkräuter bunt durcheinander und erreichten dank der jahrelangen Bodendüngung ungeahnte Höhen. Nebenbei diente dieser Mini-Urwald allen heimischen Insektenarten als Unterschlupf – von gelegentlichen Mutationen ganz zu schweigen – und hätte jeden Entomologen in helles Entzücken versetzt. Mich allerdings weniger! Ich habe seit jeher einen Abscheu vor allem, was kriecht und krabbelt, und mich nie damit abfinden können, wenn aus dem Waschlappen im Bad ein Ohrenzwicker fiel, oder ich in der Küche ein halbes Dutzend Asseln zusammenfegen mußte.
    Eine Zeitlang war Sven pausenlos damit beschäftigt, alles, was er an vier- und sechsbeinigem Getier einfing, zu konservieren und zu katalogisieren, dann gab er es auf, weil er mindestens ein Drittel des Gewürms nicht identifizieren konnte und es auch in keinem seiner zahlreichen Nachschlagewerke fand. Und als er eines Morgens auf seinem Kopfkissen eine riesige Kreuzspinne entdeckte, war's auch bei ihm mit seiner Tierliebe vorbei. Fortan beteiligte er sich wie alle anderen Familienmitglieder an der Vernichtungsaktion, aber der Erfolg war ungefähr genauso groß als hätten wir versucht, die Sahara mit einem Teelöffel wegzuschaufeln.
    Zwangsläufig gewöhnte ich mich daran, Tiere in der Größenordnung bis zu 1 cm Durchmesser zu ignorieren und erst umfangreichere Exemplare mittels zusammengefalteter Zeitungen, Hausschuhen, Topfdeckeln oder anderer massiver Gegenstände zu erschlagen. Als Stefanie mir einmal atemlos erzählte, sie habe gerade ein kleines Krokodil gesehen, war ich drauf und dran, ihr sogar das zu glauben. Dabei hatte sie nur eine Eidechse gefunden.
    Unser Haus lag ja etwas außerhalb des Dorfes auf einer kleinen Anhöhe, was einerseits den Vorteil hatte, daß sich selten Zeitschriftenwerber oder ambulante Teppichverkäufer zu uns verirrten, uns aber andererseits auch von einigen Segnungen der Zivilisation fernhielt. Das einmal wöchentlich erscheinende Fischauto entdeckte ich meist erst dann, wenn es wieder wegfuhr, und den Gemüsehändler, der sogar jeden zweiten Tag kam, konnte ich nur ab und zu einmal abpassen.
    Das Einkaufen erwies sich ohnehin als ein gewaltiges Problem. Es gab im Dorf zwar einen richtigen Tante-Emma-Laden, aber ich wurde nie den Eindruck los, daß dieses Lädchen mehr als Kommunikationszentrum für die Dorfbewohner diente als seiner eigentlichen Bestimmung. Schickte ich Sven los, um Zucker, Büchsenmilch, Pfefferkörner und Haferflokken zu holen, kam er prompt mit dem Zucker zurück und begründete den fehlenden Rest mit »Haferflokken sind alle, Büchsenmilch kommt übermorgen wieder rein, und Pfeffer gibt's nur weißen. Und der ist gemahlen.«
    Das Nachbardorf konnte ich zwar in drei Kilometer Entfernung liegen sehen, und dort gab es auch eine ganze Reihe annehmbarer Geschäfte, aber um dahinzukommen, mußte man eine sehr kurvenreiche, schmale Straße bewältigen. Wobei die Bezeichnung Straße sogar reichlich übertrieben ist, denn genaugenommen handelte es sich um einen notdürftig verbreiterten Feldweg mit tiefen Fahrrinnen, der nach mehrstündigem Regen sofort den Charakter einer Sumpflandschaft annahm. Dreimal täglich befuhr diese Straße ein klappriger Postbus, der schon längst Anspruch auf einen Platz im Museum für vaterländische Altertümer hätte erheben können. Wer nicht gerade im Morgengrauen oder zur Mittagszeit dieses Vehikel besteigen konnte oder wollte, war auf eine andere Fahrgelegenheit angewiesen. Befand sich Rolf – und mit ihm das Auto – wieder einmal tagelang auf Reisen, mußte ich zu Fuß gehen und war froh, wenn mich unterwegs ein Treckerfahrer auflas und seinen Anhänger besteigen ließ. Damals lernte ich nachhaltig den Unterschied von Getreidesäcken, Langholzbrettern und Kuhfutter kennen. Außerdem entdeckte ich wieder die Freuden des Radfahrens, vorausgesetzt, ich fuhr mir nicht gleich nach dem ersten Kilometer einen Nagel in den Schlauch oder verlor durch die ständigen Erschütterungen nicht ein halbes Dutzend Schrauben. Dann nämlich zerfiel das Rad unweigerlich in seine Bestandteile.
    Die erste Anschaffung im neuen Haus bestand also aus einer Tiefkühltruhe, die wir freitags mit dem voraussichtlichen Bedarf der kommenden Woche vollstopften. Mit
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