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Mit der Reife wird man immer juenger

Mit der Reife wird man immer juenger

Titel: Mit der Reife wird man immer juenger
Autoren: Hermann Hesse
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manchen anderenbeobachtet. So schön die Jugend ist, die Zeit der Gärung und der Kämpfe, so hat doch auch das Altwerden und Reifwerden seine Schönheit und sein Glück.
    (Aus einem Brief vom Dezember 1955 an seinen Sohn Bruno)
Wie schnell das geht!
    E ben war ich noch ein Kind,
Lachte laut in meiner glatten Haut,
Und jetzt bin ich schon ein alter Mann,
Der vertrottelt seinen Faden spinnt,
Der aus roten Augen blöde schaut
Und nicht mehr ganz aufrecht gehen kann.
O wie geht das Welken so geschwind:
Gestern rot, heute Idiot,
Übermorgen tot!
Wenn meine Geliebte mich nicht betrogen hätte
Und meine Frau mich nicht hätte verlassen,
Liefe ich noch singend durch die Gassen,
Läge ich noch blühend in meinem Bette.
Aber wenn die Frauen dich lassen stehn,
Dann, mein Junge, gib dich verloren,
Versieh dich mit Whisky und halte steif die Ohren;
Dann heißt es abtreten und untergehn.

    V or dem Recht, das unter Menschen gilt, hat der Ältere unrecht, wenn er die Liebe einer viel Jüngeren annimmt und sie dann enttäuscht, denn der Ältere soll der Klügere und Vorsichtigere sein.
    (Aus einem Brief um 1925 an seine Frau Ruth)

    M it fünfzig Jahren hört der Mensch allmählich auf, gewisse Kindereien abzulegen, Ruf und Anständigkeit zu erlangen, und beginnt auf das eigene Leben ohne Leidenschaft zurückzublicken. Er lernt warten, er lernt schweigen, er lernt zuhören und sollten diese guten Gaben durch etwelche Gebresten und Schwächen erkauft werden müssen, so betrachte er diesen Kauf als einen Gewinn.
    (Notiz zum 50. Geburtstag seiner Frau Ninon, 18. 9. 1945)
Der Mann von fünfzig Jahren
    V on der Wiege bis zur Bahre
sind es fünfzig Jahre,
dann beginnt der Tod.
Man vertrottelt, man versauert,
man verwahrlost, man verbauert
und zum Teufel gehn die Haare.
Auch die Zähne gehen flöten,
und statt daß wir mit Entzücken
junge Mädchen an uns drücken,
lesen wir ein Buch von Goethen.

    Aber einmal noch vor’m Ende
will ich so ein Kind mir fangen,
Augen hell und Locken kraus,
nehm’s behutsam in die Hände,
küsse Mund und Brust und Wangen,
zieh ihm Rock und Höslein aus.
Nachher dann, in Gottes Namen,
soll der Tod mich holen. Amen.

    M an stirbt ja so verflucht langsam und stückchenweise: Jeder Zahn, Muskel und Knochen nimmt extra Abschied, als sei man mit ihm besonders gut gestanden.
    (Aus einem undatierten Brief)

    W ir müssen uns viel quälen und viel Bitteres ausfressen, bis wir mürb und still werden … Eine Rakete hat’s schöner, die macht Pfff und ist weg, wenn’s grad am schönsten war.
    (Aus einem Brief an Ernst Kreidolf vom 25. 4. 1916)

    D ie Jugend ist entflohn,
man ist nicht mehr gesund.
Es drängt die Reflexion
sich in den Vordergrund.

    J e älter man wird und je weniger Grund man eigentlich hätte, noch am Leben zu hängen, desto dümmer und ängstlicher fürchtet man sich vor dem Tod. Und desto gieriger und kindischer stürzt man sich auf die letzten Brocken des Mahles, auf die letzten paar Freuden. Und immer hofft man wieder, immer findet man Gründe zum Hoffen. Heute, während der fatale Lebenshunger des Fünfzigjährigen mir zu schaffen macht, hoffe ich auf die Zeit nachher, auf die Stille und Abgeklärtheit jenes Alters, das jenseits der kritischen Jahre liegt.
    (Aus der Betrachtung »März in der Stadt«, 1927)
    I ch sehne mich nach dem Tod, aber nach keinem vorzeitigen und unreifen, und in allem Verlangen nach Reife und Weisheit bin ich noch tief und blutig verliebt in die süße launige Torheit des Lebens. Wir wollen beides gemeinsam haben, schöne Weisheit und süße Dummheit, mein lieber Freund! Wir wollen noch oft, oft miteinander schreiten und miteinander stolpern, beides soll köstlich sein.
    (Aus einem Brief vom 20. 2. 1917 an Walter Schädelin)

    I ch wundere mich oft über die große Zähigkeit, mit der unsere Natur am Leben hängt. Fügsam, wenn auch keineswegs gerne, gewöhnt man sich an Zustände, die einem noch vorgestern als völlig unerträglich erschienen wären.
    (Aus einem Brief vom März 1956 an Peter Suhrkamp)

    M it körperlichen Schmerzen fertigzuwerden, wenn sie länger dauern, ist gewiß etwas vom Schwierigsten. Die Heldennaturen wehren sich gegen den Schmerz, suchen ihn zu leugnen und beißen die Zähne zusammen, in der Art der römischen Stoiker, aber so hübsch diese Haltung ist, so neigen wir doch dazu, an der Echtheit der Schmerzüberwindung zu zweifeln. Meinerseits bin ich mit starken Schmerzen immer am besten fertiggeworden, wenn ich mich nicht gegen sie gewehrt
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