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Mit der Reife wird man immer juenger

Mit der Reife wird man immer juenger

Titel: Mit der Reife wird man immer juenger
Autoren: Hermann Hesse
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würde nicht ohne Langeweile abgehen, weil hier das Gegenteil von intensivem Leben Vorschrift war, und für mich, den alten Solitär, dem alles Herden- und Hotelleben tief zuwider ist und äußerst schwerfällt, würde es einige Hindernisse zu nehmen, einige Überwindungen zuerkämpfen geben. Aber ohne Zweifel würde dies neue, mir völlig ungewohnte Leben, trotz seinem vielleicht etwas bürgerlichen, etwas faden Anstrich, auch heitere und interessante Erfahrungen bringen, – hatte ich es nicht wirklich in hohem Maße nötig, nach Jahren eines friedlich-verwilderten, ländlich-einsamen, in Studien versunkenen Lebens eine Weile wieder unter Menschen zu kommen? Und, die Hauptsache: jenseits der Hindernisse, jenseits dieser jetzt beginnenden Kurwochen lag der Tag, an dem ich diese selbe Straße rüstig bergan steigen, diese Hotels verlassen, an dem ich verjüngt und geheilt, mit elastisch spielenden Knien und Hüften, von diesem Baden wieder Abschied nehmen und die hübsche Straße zum Bahnhof hinantanzen würde.
    (1923)
Belehrung
    M ehr oder weniger, mein lieber Knabe,
sind schließlich alle Menschenworte Schwindel,
verhältnismäßig sind wir in der Windel
am ehrlichsten, und später dann im Grabe.

    Dann legen wir uns zu den Vätern nieder,
sind endlich weise und voll kühler Klarheit,
mit blanken Knochen klappern wir die Wahrheit,
und mancher lög und lebte lieber wieder.
Der Fährmann
    A ls er die Fähre erreichte, lag eben das Boot bereit, und derselbe Fährmann, welcher einst den jungen Samana über den Fluß gesetzt hatte, stand im Boot, Siddhartha erkannte ihn wieder, auch er war stark gealtert.
    »Willst du mich übersetzen?« fragte er.
Der Fährmann, erstaunt, einen so vornehmen Mann allein und zu Fuße wandern zu sehen, nahm ihn ins Boot und stieß ab.
    »Ein schönes Leben hast du dir erwählt«, sprach der Gast. »Schön muß es sein, jeden Tag an diesem Wasser zu leben und auf ihm zu fahren.«
    Lächelnd wiegte sich der Ruderer: »Es ist schön, Herr, es ist, wie du sagst. Aber ist nicht jedes Leben, ist nicht jede Arbeit schön?«
    »Es mag wohl sein. Dich aber beneide ich um die Deine.«
»Ach, du möchtest bald die Lust an ihr verlieren. Das ist nichts für Leute in feinen Kleidern.«
    Siddhartha lachte. »Schon einmal bin ich heute um meiner Kleider willen betrachtet worden, mit Mißtrauen betrachtet. Willst du nicht, Fährmann, diese Kleider, die mir lästig sind, von mir annehmen? Denn du mußt wissen, ich habe kein Geld, dir einen Fährlohn zu zahlen.«
    »Der Herr scherzt«, lachte der Fährmann.
»Ich scherze nicht, Freund. Sieh, schon einmal hast du mich in deinem Boot über dies Wasser gefahren, um Gotteslohn. So tue es auch heute, und nimm meine Kleider dafür an.«
    »Und will der Herr ohne Kleider weiterreisen?«
»Ach, am liebsten wollte ich gar nicht weiterreisen. Am liebsten wäre es mir, Fährmann, wenn du mir eine alte Schürze gäbest und behieltest mich als deinen Gehilfen bei dir,vielmehr als deinen Lehrling, denn erst muß ich lernen, mit dem Boot umzugehen.«
    Lange blickte der Fährmann den Fremden an, suchend.
»Jetzt erkenne ich dich«, sagte er endlich. »Einst hast du in meiner Hütte geschlafen, lange ist es her, wohl mehr als zwanzig Jahre mag das her sein, und bist von mir über den Fluß gebracht worden, und wir nahmen Abschied voneinander wie gute Freunde. Warst du nicht ein Samana? Deines Namens kann ich mich nicht mehr entsinnen.«
    »Ich heiße Siddhartha, und ich war ein Samana, als du mich zuletzt gesehen hast.«
    »So sei willkommen, Siddhartha. Ich heiße Vasudeva. Du wirst, so hoffe ich, auch heute mein Gast sein und in meiner Hütte schlafen, und mir erzählen, woher du kommst, und warum deine schönen Kleider dir so lästig sind.«
    Sie waren in die Mitte des Flusses gelangt, und Vasudeva legte sich stärker ins Ruder, um gegen die Strömung anzukommen. Ruhig arbeitete er, den Blick auf der Bootspitze, mit kräftigen Armen. Siddhartha saß und sah ihm zu, und erinnerte sich, wie schon einstmals, an jenem letzten Tage seiner Samana-Zeit, Liebe zu diesem Manne sich in seinem Herzen geregt hatte. Dankbar nahm er Vasudevas Einladung an. Als sie am Ufer anlegten, half er ihm das Boot an den Pflöcken festbinden, darauf bat ihn der Fährmann, in die Hütte zu treten, bot ihm Brot und Wasser, und Siddhartha aß mit Lust, und aß mit Lust auch von den Mangofrüchten, die ihm Vasudeva anbot.
    Danach setzten sie sich, es ging gegen Sonnenuntergang, auf einem Baumstamm
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