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Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Titel: Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman
Autoren: Matt Beynon Rees
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Rippen.
    Noch ein Hieb ins Gesicht. Er konnte die Waffe nicht sehen, wusste aber, dass diese Wunde noch tiefer war. Sie ging bis auf den Schädelknochen. Der stürmische Wind fuhr in den Schnitt und ließ den Knochen gefrieren.
    Er dachte an den Brief und die Freiheit, die ihm bald gewährt würde. Er suchte nach Roero oder Tomassoni – wer auch immer diesen Angriff führte.
Nimm ihn dir vor, dann werden die anderen verschwinden
. Das gleißende Licht blendete ihn. Er rammte seinen Kopf in den Mann vor ihm. Der Mann ging zu Boden, fiel in den Schatten dort, in dem Caravaggio sein Gesicht erkennen konnte. Giovan Francesco Tomassoni rappelte sich schnaubend hoch und richtete die Spitze seines Dolchs auf Caravaggios Kehle.
    Ein Nachttopf aus Terrakotta traf Tomassoni mitten ins Gesicht.Der Topf knallte auf den Boden, und Tomassoni sank bewusstlos auf den Rücken. Die anderen Männer ließen von Caravaggio ab und schleppten Tomassoni weg. Sie fluchten über jemanden, aber nicht über Caravaggio.
    «
O’ntufato
, du hast deinen Brief vergessen.» Stella lehnte aus dem Fenster im Obergeschoss der Taverna Cerriglio und schwenkte ein Pergament. «Warum hast du ihn eigentlich in meinen Pisspott gelegt?»
    Caravaggio hockte auf der Straße und fragte sich, ob er starb. Das Mädchen kam zu ihm herunter. Sie presste ihm ein Tuch auf die Wunde an seiner Wange.
    «Ist es sehr schlimm?», fragte er.
    Sie zischte und verzog das Gesicht.
    «Schlimm genug, um sogar dir das Maul zu stopfen, was?»
    «Sagen wir mal, dass du dein letztes Selbstporträt gemalt hast», sagte sie. «Es sei denn, du willst, dass sich den Leuten der Magen umdreht.»
    ∗
    Seit Caravaggios Flucht aus Rom war Kardinal del Montes Haaransatz bis unter sein Barett zurückgegangen. Das gute Leben hatte dazu geführt, dass seine Gesichtsfarbe fast der seiner scharlachroten Robe glich. Als er vor dem Palast des Prinzen von Stigliano aus seiner Kutsche stieg, erblickte er die Schnitte unter dem rechten Auge des Malers, zuckte zusammen und wandte sich ab.
    Eskortiert von einem halben Dutzend Männer in der Livree der Stiglianos, stiegen sie die Treppe zur Kirche San Domenico hinauf. Costanza bestand auf einer Leibgarde aus Stallknechten des Palastes, die in den Gärten Gras gemäht hatten, um es als Heu zu verkaufen. Sie war sich sicher, dass Tomassoni erneut angreifen würde.
    «In Rom wurde berichtet, dass Ihr tot seid.» Del Monte blieb vor der Kirchentür stehen und rang nach dem Anstieg nach Atem.
    Caravaggio ließ den Blick über die Piazza, die Palazzi der Herzöge von Velleti und Casacalenda und des Prinzen von San Severo schweifen.
Er hält nach Tomassoni Ausschau
, dachte del Monte.
Oder nach irgendjemand anderem. An Feinden hat es ihm nie gemangelt.
    «Hat man Euch nach Neapel gesandt, um ein Wunder zu tun und mich von den Toten auferstehen zu lassen?» Caravaggio zwinkerte, als hätte er Staubkörner ins Auge bekommen.
    «
In mir
dürfte wohl niemand einen Mittler für die Wunder Unseres Herrn vermuten.» Del Monte betrat die Kirche und ging durchs Mittelschiff zu einer Kapelle neben dem Hauptaltar. Dort stand er dann, die Finger im weißen Bart und das Gewicht auf eine Hüfte verlagert, vor der
Geißelung
. «Die Annahme Eures Todes hat den Kardinalnepoten endlich zur Eile getrieben. Scipione ist der Ansicht, dass diese Art von Kunst», er deutete mit der Handfläche auf den gefolterten Christus, «nach Rom gehört, nicht nach Neapel. Eigentlich sollte sie auch in seiner Privatgalerie hängen, nicht in einer Kirche.»
    «Glaubt auch Lena, dass ich tot bin?»
    Del Monte hatte das Gefühl, in die Leinwand gesogen zu werden. Die dort abgebildete Wirklichkeit war so heikel, dass er Caravaggios Verzweiflung verstand, bevor der Mann auf ihn zutrat und ihn dringlich am Arm packte.
    «Hält sie mich für tot?»
    Del Monte zögerte. Er war nicht willens einzuräumen, dass er sich mit einer Magd, die in seinem Palast die Fußböden schrubbte und die Bilderrahmen abstaubte, befasst hatte. Sie war Caravaggios Frau, was sie zu einer Person machte, die er in seinen Plänen berücksichtigte, aber eine nähere Verbindung war unter seiner Würde. «Ich habe ihr eine Botschaft zukommenlassen, dass ich nach Neapel reise, um Erkundigungen einzuziehen.»
    «Ich habe einen Fehler gemacht. Ich hätte Rom niemals verlassen sollen. Um ihre Gesundheit steht es schlecht – sie braucht mich. Nehmt mich mit nach Rom.» Caravaggio legte die Fingerspitze auf die Wunde an seiner
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