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Mississippi Delta – Blut in den Bayous (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Mississippi Delta – Blut in den Bayous (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Mississippi Delta – Blut in den Bayous (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Autoren: James Lee Burke
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zusammen und trank den Kaffee mit der nervösen Gier eines Mannes, der beim ersten Licht des Morgens Whiskey aus einer Tasse schlürft.
    Romero war ein übler Mensch gewesen. Daran gab es keinen Zweifel. Doch ich hatte schon früher Menschen getötet – im Krieg und als Angehöriger der Polizei von New Orleans – und wußte, was es einem antun kann. Wie jeder Jäger weiß, spürt man einen Adrenalinstoß reinsten Frohlockens, weil man sich einen Gott vorbehaltenen Bereich erobert hat. Jeder Mensch, der etwas anderes behauptet, lügt. Doch die emotionale Haltung, die sich später bildet, unterscheidet sich bei jedem Einzelnen. Manche halten ihre Reue aufrecht und nähren sie wie eine lebendige Alptraumgestalt, um sich der eigenen Menschlichkeit zu versichern; andere rechtfertigen sich mit hunderterlei Gründen und greifen in Augenblicken der eigenen Unzulänglichkeit und des Versagens darauf zurück und rühren noch einmal an jenes flammende Etwas, das ihr kümmerliches Leben irgendwann, irgendwie historisch bedeutsam gemacht hat.
    Ich persönlich fürchtete eine weit schlimmere Konsequenz. Eines Tages erlischt die Neugier in den Augen. Jener unberührte Ort, wo Gott uns einst die Seele einhauchte, bleibt auf ewig befleckt und besudelt. Ein Vogel hebt seine Schwingen und fliegt für immer aus unserem Herzen.
    Dann tat ich etwas Eigennütziges, beging gewissermaßen einen Akt der Wohltätigkeit. Ich fuhr von der Dammstraße auf einen Rastplatz, um die Herrentoilette zu benutzen, und entdeckte in einer überdachten Picknickbox einen alten Schwarzen. Obwohl es ein Sommerabend war, trug er einen alten Übermantel und einen alten Pelzhut. Neben seinem Fuß stand ein verbeulter Pappkoffer mit einer Schnur darum und auf einer Seite die Worte: The Great Speckled Bird. Aus irgendeinem Grund hatte er unter dem leeren Barbecue-Grill ein kleines Feuer aus Zweigen angezündet und starrte hinaus in den leichten Regen, der auf die Bucht niederging.
    »Heute abend schon was gegessen, Partner?« fragte ich. »Nein, Sohn«, sagte er. Sein Gesicht war von dünnen braunen Linien überzogen wie ein Tabakblatt.
    »Ich glaube, dann hab’ ich das Richtige für uns«, sagte ich und holte meinen halbgegessenen Hamburger und den, den ich noch nicht angerührt hatte, aus dem Pickup und wärmte sie auf dem Grill auf. In meiner Werkzeugkiste fand ich außerdem noch zwei Dosen mit warmem Dr. Pepper.
    Der Regen fiel im Feuerschein schräg zur Erde. Der alte Mann aß, ohne zu sprechen. Gelegentlich schaute er mich an.
    »Wohin bist du unterwegs?« fragte ich.
    »Lafayette. Oder Lake Charles. Vielleicht geh’ ich auch nach Beaumont.« Seine wenigen Zähne waren lang und lila von Fäulnis.
    »Ich kann dich zur Heilsarmee in Lafayette bringen.«
    »Mir gefällt’s da nicht.«
    »Heut’ nacht zieht vielleicht ein Sturm auf. Du willst doch nicht im Gewitter hier draußen bleiben, oder?«
    »Warum machen Sie das?« Seine Augen waren rot, die Furchen in seinem Gesicht so fein wie Spinnweben.
    »Ich kann dich nachts nicht hier draußen lassen. Es ist nicht gut für dich. Manchmal sind nachts böse Menschen unterwegs.«
    Er gab einen Laut von sich, als entwiche seiner Lunge eine Art große philosophische Müdigkeit.
    »Mit denen will ich keinen Ärger kriegen, ne, Sohn«, sagte er und ließ stillschweigend zu, daß ich seinen Koffer nahm und ihn zu meinem Pickup geleitete.
    Hinter Lafayette setzte starker Regen ein. Die Zuckerrohrfelder waren grün und wogten heftig im Wind, und die Eichen entlang der Straße zitterten weißlich in den aufflammenden Blitzen am Horizont. Der alte Mann war an der Beifahrertür eingeschlafen, und ich fühlte mich allein im Prasseln des Regens auf dem Dach der Fahrerkabine, im schwefligen Geruch der Luft, die von der Lüftung angesaugt wurde, beißend wie Kordit.
    Als ich morgens aufwachte, war es im Haus kühl von den Fensterventilatoren, und das Sonnenlicht in den Pecanobäumen vor dem Fenster sah aus wie kräuselnder Rauch. Ich ging barfuß und in Unterhose ins Badezimmer, wandte mich dann zur Küche, um Kaffee zu kochen. Robin stand im Pyjama in der Tür und winkte mir, ich solle zu ihr kommen. Ich schlief noch immer auf der Couch und sie im Hinterzimmer, teilweise wegen Alafair und zum Teil auch wegen meiner Unaufrichtigkeit bezüglich der Natur unserer Beziehung. Sie biß sich mit Verschwörerlächeln auf die Unterlippe.
    Ich saß mit ihr auf der Bettkante und schaute aus dem Fenster auf den Hinterhof. Er war in blaue
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