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Mission Herodes - Die vier Reiche (German Edition)

Mission Herodes - Die vier Reiche (German Edition)

Titel: Mission Herodes - Die vier Reiche (German Edition)
Autoren: Patrick R.Ullrich
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neunzigjährig, mit solcher Schönheit und Anmut einlassen? Gab er sich nicht der Selbstverachtung preis damit? Würde er nicht elfische Vollkommenheit mit seiner Hinfälligkeit besudeln? Quälend drangen die Gedanken in seinen Geist, drohten sich seines Körpers zu bemächtigen und ihn empfindungslos zu machen. Dann war sie über ihm und der Mond entschloss sich, seine Deckung hinter einer Wolke zu verlassen, um auch einen Blick auf diese Schönste der Schönen zu werfen. Und Wenduul sah ihr Gesicht und Augen, die dunkelviolett leuchtend, unendlich sanft auf ihn herabblickten.
    »Du glaubst, du bist zu alt?«, sagte sie schlicht und er öffnete den Mund, um zu antworten, aber da wurde er gewahr, dass genau das nicht der Fall war. Er fühlte sich ... jung! Und im selben Moment fühlte er seine Leidenschaft erwachen.
    Und er fühlte sie!
    Wie aber kann sein, was nicht sein kann? Gib Ruhe, schalt er seinen Verstand. Die Elfen sind ein wundersames Volk und sie haben wundersame Fähigkeiten, und diese hier ist ihre Königin. Das muss dir als Erklärung reichen! So befahl er der Einsamkeit und seinem Intellekt, die so oft, ohne es zu wollen, Hand in Hand gearbeitet hatten. Und dann dachte Wenduul Geistgreifer, der Erzmagier Thules, für den Rest der Nacht überhaupt nichts mehr.

Ein Blatt nur
      Ü ber Nacht war ein neuer Baum gewachsen im Park Dornruhe und er stand im Schutz des mächtigen Immergrüns.
    Nur ein Mensch hielt sich dort auf und er tat es aus gutem Grund, denn dieser Baum war Wargrim und jener Mensch war Wenduul.
    Wie der Baumgeist es gefordert hatte, spaltete er nach der Schlacht den verkohlten Leib. Zum Erschrecken Kelebs und der Zwerge hatte er es getan, unter dem vorwurfsvollen Blick Beros und den besorgten Rotgards und Halinas, die nun in Fenhuuk weilten, bei Eike und Menhin, ihren Eltern.
    Nur Luthien und Brim sahen ruhig zu, wie er in das Innere Wargrims griff und die Faust um das Herz des Gefallenen schloss. Nicht tief genug hatte das Feuer zubeißen können.
    Nun stand dieser junge Baum auf gutem Grund, zwischen der Schlossburg und dem Sitz des Legaten, und das war ein guter Platz, um zu wachsen. Jahre und Jahrzehnte würden vergehen müssen.
    Sanft legte Wenduul eine Hand auf die junge, glatte Rinde, spürte das Leben und das ruhige Schlagen dieses ewigen Herzens – und etwas davon durchströmte auch ihn.
    Nur so lässt sich verstehen, dass der Erzmagier nicht bis ins Mark erschrak, sondern gelassen blieb, als sich in großer Höhe ein Blatt des Immergrüns löste und langsam herab taumelte.
    Es ist noch Zeit. Sie würden bereit sein. Und dann war es ihm, als höre er Wargrims Lachen und es klang nach raschelndem Laub.

Epilog
    Reservefeldlazarett Pasewalk, Mecklenburg-Vorpommern,
    10. November 1918,10:37 Uhr am Morgen.
    » W ann hat er es erfahren?«

    »Heute. Wie wir alle.«
    »Und seitdem ist er wieder erblindet?«
    »Ja.«
    Dietrich biss sich auf die Unterlippe. Sein Scheitern nagte an ihm.
    »Es ist meine Schuld. All das ist meine Schuld. Ich habe versagt.«
    Schweigen. Keiner der zwei anwesenden Männer nahm die Last von ihm. Kein relativierendes Wort, kein Trost. Nicht einmal eine im Ton mitfühlende Bestätigung seiner eigenen Anklage. Aber das hatte er auch nicht erwartet. Lange weilte sein Blick auf dem Soldaten mit dem Dienstgrad eines Gefreiten, der, sehr blass und unscheinbar, in einem tiefen, hypnotischen Schlaf lag.
    »Wird er sich erholen?«
    »Professor Forster sagt, ja.«
    Dietrich tauschte einen langen Blick mit dem Genannten, aber der Mediziner hielt stand und erwiderte diesen ruhig. Es war schließlich Dietrich, der sich ab- und dem Patienten wieder zuwandte.
    »Dann ist es gut.«
    Wieder herrschte Stille. Eine bleierne, lähmende Stille. Genährt durch die Nachricht über die Kapitulation Deutschlands, lag sie wie eine Schneedecke, die jeden Ton erstickt, über den Männern. Nach einer Ewigkeit schließlich:
    »Es wird Zeit, Dietrich.«
    Mit einer kaum wahrnehmbaren Bewegung des Kopfes signalisierte er seine Zustimmung. Wie hatte all das nur passieren können? Das Mädchen am Leben und in der Hand des thulischen Magiers. Nur ein Kind. Nur ein kleines Kind und doch hatten die deutschen Heere den Krieg verloren, lag Deutschland am Boden. Hatte er laut gedacht?
    »Es ist erst der Anfang, Dietrich, und er lebt. Das ist das Wichtigste. Vielleicht ist es gut so. Vielleicht erweist sich diese Kapitulation letztlich als unser Sieg.«
    Erstaunt sah Dietrich auf. »Wie kann das
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