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Missing Link

Missing Link

Titel: Missing Link
Autoren: Walt Becker
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seine Armbanduhr abgenommen und in die Tasche gleiten lassen - so hatte er sie nach der Zeit fragen können. In einem jener magischen ersten Momente - als sie mit ihren blauen Augen vom Buch aufgeblickt hatte - hatte Jack gewusst, dass es ihn erwischt hatte.
    Es spielte keine Rolle, dass sie seine Frage nicht beantworten konnte, da sie keine Uhr anhatte. Genauso wenig hatte die darauf folgende seltsame Stille gestört, während der Jack sie einfach nur angestarrt hatte. Er erinnerte sich nicht an seine nächsten Worte, aber sie müssen dümmlich charmant gewesen sein, da sie gelacht hatte. An die wichtige Laborstunde, die er ausfallen ließ, um mit ihr etwas essen zu gehen, erinnerte er sich allerdings. Nachdem sie den Weg zum Café zurückgelegt hatten und Jack erfahren hatte, dass auch sie plante, ihren Doktor in Anthropologie zu machen, hatte er bereits gewusst, dass er sie haben oder sich bei dem Versuch zumindest zum Narren machen musste.
    Jack hatte sich noch nie für einen Frauenhelden gehalten. Für ihn war die Arbeit weit angenehmer und stimulierender, als nach einem Rock hinterherzujagen. Und er wusste aus früheren Erfahrungen, dass ihn Beziehungen schnell ermüdeten. Aber in Samantha hatte er etwas gefunden, das er davor oder danach nie wieder erlebt hatte. Ihre Verbindung besaß die seltene Mischung aus Leidenschaft und Freundschaft. Die beiden hatten eine spezielle Beziehung, gestärkt durch den gemeinsamen geistigen Glauben an die Wissenschaft und die Liebe zu ihr. Im zweiten Jahr ihres Doktorandenprogramms hatte er ihr einen Heiratsantrag gemacht. Ihre Verlobung sollte bis irgendwann nach Ende ihres Studiums dauern. Doch ein Jahr nach dem Abschluss ging die Sache langsam in die Brüche.
    In Jack kam die alte Wut wieder hoch, und er entschied, nicht darüber nachzudenken. Zum Glück lenkte ihn obendrein Ricardo ab, nachdem sie den sanft dahinfließenden Niger über eine Hängebrücke überquert hatten, indem er auf die in der Ferne liegenden Hügelketten deutete. Sie waren fast da.
    Am Fuß einer der Ketten, gleich hinter einer der weiten Savannen Malis, umgab ein ausgeklügeltes System von Zelten die Ausgrabungsstätte. Jack war von der Anzahl überrascht. Dies war in jeder Hinsicht eine große Ausgrabung, mit Sicherheit die größte, die Samantha je geleitet hatte. Der Rover wand sich durch das Labyrinth aus Zeltleinwänden und hielt neben einem großen Geländezelt.
    Sieben hochmoderne Sonnenkollektoren, die einen starken Kontrast zu dem ursprünglichen afrikanischen Umland bildeten, sammelten die Sonnenenergie und übertrugen sie über dicke schwarze Kabel in das Zelt. Die Paneele konnten einige Spezialgeräte versorgen, und der erste Eindruck ließ vermuten, dass hier alles vorhanden war - das DNA-Analysegerät und das Kohlenstoff-Spektrometer zur Altersbestimmung. Ein paar Laptops standen im Freien auf einem Aluminiumklapptisch, und hinter dem Zelt war eine Satellitenschüssel zum Senden aufgestellt worden.
    Wer auch immer sich als Geldgeber betätigte, war auf keinen Fall ein Pfuscher.
    »Das ist ja riesig hier, Samantha. Du musst dich wie im siebten Himmel fühlen«, wollte Jack nur denken, nicht laut von sich geben.
    »Das kann man wohl sagen. Möchtest du schnell einen Rundgang machen?«
    »Ich möchte das Fossil sehen.«
    Samanthas Vorstellung müsste warten. Jack war es bislang schwer gefallen, seine Begeisterung zu verbergen, aber jetzt konnte er sich nicht mehr zurückhalten. Ein Schädel mit einem Volumen von zweitausendeinhundert Kubikzentimeter war größer als alles bisher Gefundene - sogar größer als die Gehirnschale der Neandertaler. Als er hinter ihr den sanft ansteigenden Pfad hinaufging, verschwand alles andere aus seinem Bewusstsein. Sie hatte etwas in einer Höhle gefunden, das ihn möglicherweise bestätigte.
    Sie näherten sich dem Felsüberhang, dem Eingang zu einem Höhlensystem an der Nordostkette. Samantha führte Jack und Ricardo an mehreren Dogon-Arbeitern vorbei, die nur kurz innehielten, um den Neuankömmling in Augenschein zu nehmen, bevor sie ihre Körbe mit Erde ausleerten. Die beiden weißen, jeweils mit einer AK-47 Automatik bewaffneten Männer erhoben sich, als sich Samantha dem mit einem Seil abgetrennten Eingang näherte.
    »Er ist in Ordnung. Danke«, sagte Samantha zu dem Größeren.
    Sie hielt das Seil für Jack und Ricardo hoch. Jacks Augen brauchten eine Weile, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen, aber in der Zwischenzeit reichte ihm Samantha einen
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