Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Missing Link

Missing Link

Titel: Missing Link
Autoren: Walt Becker
Vom Netzwerk:
Erde. Er half dem schlaffen und zitternden Ricardo aus dem Flugzeug. Ein Dutzend dürre Hühner gackerten um ihre Füße herum, und ein paar ebenholzfarbene Frauen holten Wasser aus einem tiefen Brunnen. Einige hielten in ihren weichen schwarzen Armen ein schlafendes Kind. Jack erkannte ein paar Wörter - die Frauen sprachen in ihrer Muttersprache, nicht französisch. Er krempelte sich die Ärmel hoch, ein schnelles Zugeständnis an die trockene Hitze. O verdammt, wo ist bloß die Baseballmütze?, fragte er sich.
    »Tut mir Leid«, sagte Ricardo.
    »Was?«
    Jack folgte Ricardos Blick auf seine Schuhe, die mit einem dünnen orangefarbenen Schleim überzogen waren. Eine neugierige Henne pickte an dem klebrigen Zeug.
    »Oh, großartig.«
    Ricardo nahm ein Taschentuch aus seiner Gesäßtasche und ließ es auf Jacks linken Fuß fallen. Jack schüttelte den Kopf. Ricardo brachte nur ein Achselzucken zu Stande. Als er anfing sich Ricardos Frühstück von den Schuhen zu wischen, überdeckte der starke, grasige Duft der nahen Ebenen den sauren Geruch des Mageninhalts. Er atmete tief ein und schloss die Augen. Der süße Geruch von Afrika.
    Er war zurück.
    Ein paar Sekunden lang blickte Jack über die schäbige Entschuldigung eines Landesplatzes. Die eklatante Armut Malis schockierte ihn immer aufs Neue. Ehemals ein Kolonialterritorium Frankreichs, war die kleine Republik eine der ärmsten Nationen der Welt. Kaum fünfzehn Prozent der Bevölkerung konnten lesen und schreiben, und die Lebenserwartung der meisten dieser Menschen lag nur bei vierundvierzig Jahren. Jack schüttelte den Kopf. Diese edlen Menschen kämpften unaufhörlich, verloren aber nie ihre Würde. Und wozu? Um ein halbes Leben zu leben. Das schien nicht fair zu sein.
    Er und Ricardo hatten sich gerade im versöhnlichen Schatten der Hütte untergestellt, als Jack zwei zerbeulte Landrover bemerkte, die aus einem großen Fass mit Sprit aufgetankt wurden. Auf dem Armaturenbrett des ihnen zugewandten Rovers stand ein großes Schild mit seinem Namen - Dr. Austin. Jack marschierte, gefolgt von Ricardo, über das staubige Feld zu den beiden Fahrzeugen. Eine Person wurde von dem Schild verdeckt.
    »Ich bin Dr. Austin«, sagte er.
    Die Person trat vor. Abrupt blieb Jack stehen.
    »Nicht mit mir. Mit mir macht ihr so was gefälligst nicht!«
    Er drehte sich um und stürmte zum Flugzeug zurück.
    Samantha schloss die Rovertür und hechtete ihm hinterher. »Jack, bitte! Hör mir doch wenigstens eine Sekunde zu!«
    Jack hörte sie, ging deswegen aber nicht langsamer. Schnell näherte er sich der Cessna, um mit ihr nach Bamako zurückzufliegen. Er kam an dem vornübergebeugten Ricardo vorbei, der gerade wieder einen Übelkeitsanfall hinter sich hatte.
    »Du bist tot«, sagte Jack zu ihm.
    »Warte ... Jack ... ich kann das erklären ...«
    »Deine Ausgrabung?«, brummte er.
    Samantha fing an zu rennen. »Jack, du hast bei den Dogon gelebt. Sie vertrauen dir. Und du wirst hier dringend gebraucht. Um Himmels willen, lass mich nicht betteln.«
    Jack warf seinen Rucksack ins Flugzeug, griff nach der Flügelstrebe und zog sich hoch.
    »Himmel, Arsch, Jack!«, schrie Samantha. »Wir haben den Schädel gerade gemessen - zweitausendeinhundert Kubikzentimeter!«
    Jack erstarrte. In seiner Wirbelsäule spürte er ein Kribbeln. Sein Griff lockerte sich, und sein Bein tastete langsam nach dem Boden unter ihm.

 
Der Fund
     
    Die zweistündige Fahrt zur Ausgrabungsstätte verlief, abgesehen von dem Getöse des Motors und dem Schleifen des Getriebes, die meiste Zeit ruhig. Jack hatte seinen Rucksack in den Rover geschmissen und schwieg. Samantha versuchte ein paar Minuten sich mit ihm zu unterhalten, nachdem sie den Landeplatz verlassen hatten, aber Jack gab zu verstehen, dass er etwas Zeit für sich brauchte. Nachdem sie an einigen Songhai-Hirten vorbeigefahren waren, die ihre Ziegen zu einem Wasserloch trieben, schwieg auch sie, wofür Jack dankbar war.
    Jack war ihr von Anfang an verfallen gewesen. Mit ihren dreiundzwanzig Jahren war sie, im Vergleich zu den meisten Graduate-Studenten in Princeton, wo sie eingeschrieben war, noch jung. Das erste Mal war sie ihm aufgefallen, als sie neben den Magnolienbüschen im geisteswissenschaftlichen Bezirk gelernt hatte, und sei es der süße Duft der Magnolienblüten gewesen oder die Art, wie sich die Sonne in ihrem hellbraunen Haar gefangen hatte, er hatte sich sofort von ihr angezogen gefühlt. Während er auf sie zugegangen war, hatte er
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher