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Missgeburt

Missgeburt

Titel: Missgeburt
Autoren: William C. Gordon
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Wände waren voll mit Fotos, auf denen sich der Coroner mit berühmten und berüchtigten Politikern San Franciscos sowie mit bekannten Strafverteidigern hatte ablichten lassen. Samuel bewunderte das Foto von Turtle Face mit dem Anwalt Earl Rogers und dem Schriftsteller Jack London. Die drei Männer hatten sich freundschaftlich die Arme um die Schultern gelegt, und es war unschwer zu erkennen, dass diese Geste nichts Aufgesetztes hatte. Drei vom gleichen Schlag.
    »Damals war ich noch ganz schön grün hinter den Ohren«, unterbrach McLeods Stimme die Stille im Raum. »Und die beiden Jungs sind schon ganz schön lange tot. Kommen Sie, wenden wir uns der Gegenwart zu und betrachten wir mal diese Aufnahmen. « Sentimentalität ließ sich McLeod nicht nachsagen. Gemeinsam mit dem Coroner wandte sich Samuel den aus unterschiedlichen Blickwinkeln aufgenommenen Fotos des Schenkelstücks zu.
    »Hier hat mit Sicherheit jemand eine Säge benutzt«, bemerkte Samuel. »Oder haben Sie als Fachmann diesbezüglich irgendwelche Zweifel?«
    »Nein. Das ist an diesen Spuren einwandfrei zu erkennen.« Der
Coroner deutete auf das Foto. »Aber noch deutlicher kann man es an diesem Knochen hier sehen.«
    »Das heißt im Umkehrschluss, es muss noch weitere Leichenteile geben«, sagte Samuel.
    »Möglicherweise. Allerdings könnte der Rest der Leiche auch schon beseitigt worden sein, sodass außer dem Teil, den wir gefunden haben, keine weiteren mehr auftauchen. Aber wir müssen auf jeden Fall die Augen offen halten.«
    Samuel griff nach einem Foto des derben Leinensacks, der links herum gedreht auf einem Untersuchungstisch lag. Er war zerschnitten worden und wies zahlreiche Blutflecken auf. An seinem oberen Ende, wo ein Stück Stoff abgetrennt worden war, konnte man die Reste eines Buchstabens erkennen – ein M. »Interessant. Dieser Sack hat vermutlich vorher etwas anderes enthalten.«
    »Davon gehe ich aus.« McLeod stand auf und stellte sich neben Samuel. Er strich die Ärmel seines weißen Kittels glatt und deutete auf das Foto. »Die Frage ist nur, was? Wir haben alle möglichen Partikel an dem Leinen gefunden und untersuchen sie gerade unter dem Mikroskop. Bisher deutet alles darauf hin, dass der Sack Pintobohnen enthalten hat, bevor der Oberschenkel des unglücklichen jungen Mannes darin eingeschlagen wurde.«
    »Sie sind sich sicher, dass es sich bei dem Toten um einen Mann handelt?«
    »Ja, das Opfer war ein männlicher Latino Anfang zwanzig, vermutlich Mexikaner. Außerdem wissen wir, dass der Oberschenkel mit Wasser aus San Francisco gewaschen wurde, bevor man ihn tiefgefroren hat. Wir haben nämlich Spurenelemente daran entdeckt, die nur aus dem Hetch Hetchy Reservoir im Yosemite-Nationalpark stammen können, das die Bay Area mit Trinkwasser versorgt.«
    »Was sind das für weiße Haare auf dem Sack?«, fragte Samuel.
    »Ob sie von einem Menschen oder einem Tier stammen, konnten wir noch nicht einwandfrei feststellen. Jedenfalls ist der Sack
mit etwas Weißhaarigem in Berührung gekommen. Ich vermute, dass es ein Tier war.«
    »Der Buchstabe auf dem Sack ist ziemlich eindeutig ein M. Haben Sie eine Idee, worauf das hindeuten könnte?« Samuel griff nach einer Großaufnahme des Aufdrucks und studierte sie aufmerksam.
    »Bisher nicht. Die Klärung dieser Frage fällt ohnehin eher in Ihr Ressort. Aber ich würde mal tippen, ein mit M beginnender Produzent oder Händler von … nehmen wir ruhig einmal Pintobohnen an … hat einen Sack mit seiner Ware nach San Francisco oder in die Bay Area geliefert. Und irgendwie ist dieser Sack dann in den Besitz der Person gelangt, die diesen armen Teufel in Stücke gehackt hat. Sie hat den Sack zerschnitten und das Schenkelstück darin eingeschlagen.«
    »Haben Sie in der Umgebung der Mülltonne Fußabdrücke gefunden? «
    »Viel zu viele, um wirklich etwas mit ihnen anfangen zu können. Denn es waren auch die Fußabdrücke sämtlicher Hausbewohner darunter, die ihre Abfälle in der Tonne entsorgt haben. Deshalb bezweifle ich, dass wir irgendeinen dieser Abdrücke mit einem potenziellen Tatverdächtigen in Verbindung bringen können.«
    »Haben Sie sonst irgendetwas Interessantes gefunden?«, fragte Samuel.
    »Sie haben ja die Liste. Aber wie gesagt, sie ist nicht für die Veröffentlichung bestimmt. Alles, was dort steht, könnte sich als wichtiger Anhaltspunkt entpuppen. Vorerst enthält sie allerdings nur Gegenstände, die aus der Mülltonne gefallen sind oder in ihrer näheren Umgebung
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