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Miss Daisy Und Der Tote Auf Dem Wasser

Miss Daisy Und Der Tote Auf Dem Wasser

Titel: Miss Daisy Und Der Tote Auf Dem Wasser
Autoren: Carola Dunn
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gegenüber von Tür und Fen- stern vollständig mit Bücherregalen bedeckt.
Obwohl die Bücher übersichtlich nach Themen geordnet waren, hatte Daisy nicht die geringste Ahnung, wo sie mit ihrer Suche anfangen sollte. So forstete sie die Regale einige Zeit erfolglos durch. Gerade als sie aufgeben wollte, fiel ihr Blick auf die Bände auf dem Tisch. Unmittelbar vor ihrer Nase lag Henslows Nachschlagewerk Poisonous Plants. Das Kapitel über tropische Giftpflanzen stak voller Lesezeichen.
Im Register fand Daisy das Stichwort Tabak, schlug die ge- nannte Seite auf und las rasch die Beschreibung durch. Nico- tiana sei ein Nachtschattengewächs, erfuhr sie. In der langen Liste der entsetzlichen Folgen einer Nikotinvergiftung fan- den sich Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel, verwaschene Sprache und Krämpfe, die schließlich zum Tode führen. Was sie am meisten beunruhigte: Das Zeug war höchst gefährlich, wenn es durch die Haut absorbiert wurde.
Sofort lief sie los, um ihre Tante zu suchen.
»Ja, Liebes«, sagte Lady Cheringham abwesend, aber mit klarer und ganz und gar nicht verwaschener Stimme, während sie sich ohne stärkere Anzeichen von Schwindel hinunter- beugte, um ein freches kleines Kreuzkraut unter den Nelken hervorzupulen, »ich zieh mich gleich um. Und ich werd Bister bitten, sich zu vergewissern, ob der Gartenschuppen ab- geschlossen ist – obwohl ich sicher bin, daß er das schon ge- tan hat. Wir benutzen Arsen, weißt du, gegen Ratten, und Zyankali gegen Wespennester, glaube ich jedenfalls. Schreck- liches Zeug.«
Daisy hatte das Gefühl, alles getan zu haben, um ihre Tante Cynthia vor einem gräßlichen Tod zu bewahren.
    In noch stärkerem Maß als eben der Tee diente das Abend- essen der Energieversorgung der Mannschaft. Beeindruckt verfolgte Daisy, welche Mengen verschlungen wurden. Unter diesen Umständen gestaltete sich das Gespräch eher wort- karg.
    Mittlerweile hatte Daisy anhand besonderer Merkmale wie leichtes Stottern, dünner blonder Schnurrbart und ein Paar beneidenswert langer, dunkler, aufgebogener Wimpern weiteren Gesichtern Namen geben können: Die vier Männer im zweiten Studienjahr waren Poindexter (der Stotterer), Wells (bewimpert), Meredith (Schnurrbart) und Leigh (ohne was).
    Daisy saß neben Fosdyke, dem einzigen Erstsemester in der Mannschaft – beziehungsweise in beiden Mannschaften. Nach Meinung von Rollo war er ein erstklassiger Ruderer; bevor er nach Oxford ging, hatte Fosdyke schon für die St. Paul’s School gerudert. Daher war er Mitglied sowohl des Vierers als auch des Achters von Ambrose. Diese doppelte Belastung, dazu die Gegenwart der älteren Studenten – das waren ohne Zweifel die Gründe dafür, daß er der Schweig- samste in dieser ohnehin schweigsamen Runde war. »Dürfte ich bitte das Salz haben«, war die längste Äußerung, die Daisy während der ganzen Mahlzeit von ihm zu hören bekam.
    Als sie schließlich vom Tisch aufstanden, unterdrückte Fosdyke ein riesiges Gähnen, entschuldigte sich und fuhr fort: »Ich geh zu Bett. Diese Jungs hier kann man ja nicht dazu bringen, halbwegs ernsthaft zu trainieren, ich jedenfalls laufe vor dem Frühstück gerne noch ein paar Kilometer.«
    »Wie schön für Sie«, sagte Daisy lächelnd und verbarg ein Schaudern. Zwar bewunderte sie diejenigen, die solch hervor- ragende Leistungen erbrachten, rückhaltlos. Doch sie selbst hielt Sport für eine Qual, die unter allen Umständen zu ver- meiden war.
    Dieselbe Meinung hatte sie von Bridge, wenngleich die Lei- denschaft ihrer Mutter für das Spiel sie gezwungen hatte, es zu lernen. Als Leigh, Meredith und Wells sie auf dem Weg in den Salon baten, ihnen die Vierte bei einem Rubber zu sein, schüttelte sie mit bestens gespieltem Bedauern den Kopf. »Das ist sehr nett, daß Sie mich dazubitten, aber ich kann gar kein Bridge spielen.«
»Wir bringen es Ihnen gerne bei.« Meredith gab nicht auf.
    »Im Kartenspielen bin ich eine hoffnungslose Niete. Ich fürchte, mein Partner würde mich umbringen.«
Die Jungen protestierten matt, aber sie blieb standhaft. Und so wurde Poindexter, der eigentlich einen Brief hatte schreiben wollen, mit dem Versprechen gewonnen, er dürfe als erster Strohmann sein.
Lady Cheringham hatte sich bereits mit einem Buch über die Gartenkunst niedergelassen. Daisy spazierte durch die ho- hen Glastüren des Salons auf die Terrasse. Die Sonne war be- reits untergegangen, doch der Himmel bot im Westen eine ganze Palette von Rot-Tönen, die vom schimmernden,
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