Miramar
erstaunlich, klug und stark. Sie begreift sofort, worum es geht.
Mein Glück ist perfekt!«
Ein andermal fragte sie mich: »Was
meinen Sie, soll ich ihr fünf Pfund geben zusätzlich zu Essen und Kleidung?«
Ich äußerte meine Zustimmung und bat
dann: »Stecken Sie sie nicht in moderne Kleider europäischen Zuschnitts!«
»Ja, soll sie sich denn weiterhin
anziehen wie ein Fellachenmädchen?«
»Meine Liebe, das Mädchen ist hübsch.
Denken Sie darüber nach!«
»Ich halte die Augen schon offen. Das
Mädchen ist anständig, Monsieur Amir!«
So tänzelte Zuchra in einem
Baumwollkleid durchs Haus, das ihr wie auf den Leib geschnitten war und die
Schönheiten ihres Körpers betonte. Das geschah sicher zum ersten Mal, denn bis
jetzt war er unter einem weiten, knöchellangen Gilbab verborgen gewesen. Ihr
Haar war mit Kerosin gewaschen worden und nun hübsch in der Mitte des Kopfes
gescheitelt und in zwei dicken Zöpfen zusammengefaßt, die ihr hinter den Ohren
hinabhingen.
Tolba Marzuq sah sie prüfend an, wandte
sich dann zu mir, als sie gegangen war, und flüsterte mir ins Ohr: »Im nächsten
Sommer werden wir sie im Genevoise oder im Monte Carlo bewundern können!«
»Das liegt in Gottes, nicht in Ihrer
Hand!« wies ich ihn zurecht. Auf dem Weg hinaus ging er an ihr vorbei und
fragte sie scherzhaft: »Hast du ausländische Vorfahren, Zuchra?«
Sie maß ihn mit einem fragenden Blick.
Es war deutlich, daß sie ihn nicht sympathisch fand.
Dann schaute sie zu mir, und ich
versuchte sie zu begütigen: »Er macht nur Spaß, Zuchra. Betrachte seine Worte
als eine Art Lob.« Lächelnd fuhr ich fort: »Auch ich gehöre zu deinen Verehrern,
Zuchra.«
Sie lächelte unschuldig, und ich
zweifelte nicht daran, daß sie mich ebenso mochte wie ich sie, und war sehr
froh darüber. Immer, wenn sie mit ihrer Arbeit fertig war, lud Madame sie ein,
sich zu uns ins Entrée zum Radio zu setzen. Sie suchte sich stets einen Platz
etwas abseits von uns, in der Nähe des Wandschirms, und verfolgte unsere
Gespräche mit dem ernsthaften Wunsch, uns zu verstehen und sich zu bilden. Zu
mir gewann sie Zutrauen, weil sie spürte, daß ich sie gern hatte, und wir wurden
Freunde. Wir sprachen miteinander, wann immer sich eine Gelegenheit dazu ergab.
Eines Abends erzählte sie uns ihre Geschichte selbst, in der Annahme, wir
hörten sie zum ersten Mal.
Sie weihte uns auch in Einzelheiten
ein: »Der Mann meiner Schwester hätte mich am liebsten umgebracht, weil ich
meinen Boden selbst bearbeitete.«
»Hat er dir nicht Schwierigkeiten dabei
gemacht, Zuchra?«
»Nein, ich bin Gott sei Dank stark.
Weder im Handel noch beim Ackerbau oder bei Marktgeschäften kann mir jemand das
Wasser reichen.«
»Aber die Männer kümmern sich auch um
andere Dinge«, lachte Tolba Marzuq.
»Wenn es nötig sein sollte, kann ich
auftreten wie ein Mann«, setzte sie freundlich dagegen. Ich pflichtete ihr
eifrig bei. Madame fügte hinzu:
»Zuchra ist nicht unerfahren. Sie hat
schließlich ihren Vater auf seinen Gängen begleitet, und er hat sie sehr gern
gehabt.«
Zuchra sagte traurig: »Ich habe ihn
mehr geliebt als mich selbst. Mein Großvater dagegen denkt nur daran, mich
auszunutzen.«
»Wenn du wirklich als ein Mann hättest
auftreten können, wärst du nicht zur Flucht gezwungen gewesen«, fuhr Tolba
Marzuq fort, sie zu necken.
Ich verteidigte sie: »Tolba Bey, Sie kennen
die Atmosphäre auf den Dörfern besser als jeder andere. Sie wissen, daß alles,
was die Alten sagen, dort für heilig gehalten wird. Sie wissen um die
fürchterlichen Traditionen dort.
Entweder sie wäre geblieben, dann hätte
sie die Ehefrau eines ungeliebten Mannes werden müssen, oder sie mußte einfach
fliehen.«
Sie sah mich dankbar an und sagte dann
bekümmert: »Ich habe meinen Grund und Boden verlassen müssen.«
»Sie werden dir allerhand
hinterherreden als Begründung für deine Flucht«, meinte da Tolba Marzuq.
Sie wurde blaß vor Zorn, schaute ihn
wütend an, spreizte Zeige-und Mittelfinger auseinander und stieß hervor: »Die
werde ich dem ins Auge stoßen, der mir Böses nachsagt!«
»Aber Zuchra, verstehst du denn keinen
Spaß?« rief Madame.
Mich hatte ihr Zornesausbruch betroffen
gemacht, so versuchte auch ich zu begütigen: »Das war doch nur ein Scherz,
Zuchra!« Dann wandte ich mich zu ihm und fragte ihn: »Wo bleibt Ihr Feingefühl,
mein Lieber?«
»Es wurde sequestriert«, spottete er.
Sie hatte braune Augen, glatte, rosige
Wangen, in ihrem Kinn war ein
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