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Milner Donna

Milner Donna

Titel: Milner Donna
Autoren: River
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während seiner seltenen Bäder.
    Mein Vater weigerte sich, wie wir anderen regelmäßig zu baden. Er schwor, dass er sich jedes Mal erkältete oder gar eine Lungenentzündung holte. Er machte einen Bogen um die tiefe Wanne mit den Löwenklauen, die die Hälfte unseres Badezimmers einnahm. Jede Nacht nach dem abendlichen Melken hörten wir, wie er hinter der verschlossenen Badezimmertür mit dem Wasser herumplanschte. Einmal im Monat riskierte er Krankheit und Tod und nahm sein rituelles Bad. Man konnte Gift darauf nehmen, dass er am nächsten Tag herumhustete und bellte und schwor, nie wieder in die Wanne zu steigen.
    Dad sagte, er brauche kein Bad; seine langen Unterhosen würden seinen Schweiß aufsaugen. Er hatte drei Stück, die er unter der Woche wechselte. Trotz seiner Weigerung, sich zu baden, glaubte ich niemals, dass mein Vater anders roch als wir. Alle hatten wir denselben Geruch nach Stall, Kuhdung, saurer Milch und Heu an uns. Dieser süßsäuerliche Geruch hing überall, in unseren Kleidern, im Haus; er war Teil von uns wie die Milch, die unseren Lebensunterhalt bedeutete. Wenn andere Kinder sich auf dem Schulhof die Nase zuhielten, kam es mir niemals in den Sinn, dass sie an unserem Geruch Anstoß nahmen. Wie begründet ihre Sticheleien waren, wurde mir erst bewusst, als ich nach zweijähriger Abwesenheit zum ersten Mal wieder nach Hause kam.
    Jeden Samstagvormittag sortierten meine Mutter und ich die Berge schmutziger Kleider und Wäsche auf dem Boden der geschlossenen Veranda. Jede Woche landeten zwei von Vaters langen Unterhosen in einem Haufen mit den Boxershorts und T-Shirts meiner Brüder. Die Jungs weigerten sich, außer an den schlimmsten Wintertagen, solche »Longjohns« zu tragen. Ihre Unterwäsche kreiselte zusammen mit Dads in der Wäschetrommel herum, ein grauer Wirbel einer nach Mann und Stall riechenden Brühe.
    Einmal sagte mir Mom, dass es interessant sei, was man aus der Schmutzwäsche über das Leben des Besitzers herauslesen könne. Sie kannte die Geheimnisse meiner Brüder aufgrund des Zustands ihrer Kleider und des Inhalts ihrer Taschen. Nicht dass sie dieses Wissen jemals gegen sie verwendet hätte. Sie vergötterte ihre Jungs und war nur erstaunt, wenn sie irgendetwas entdeckte, was verriet, dass sie auch nur Menschen waren: Tabakkrümel im Futter ihrer Taschen, abgebrannte Zündhölzer, ein Stückchen Priem. In Flecken las sie wie in einem geheimen Tagebuch.
    An jenem Waschtag, als ein Kondom auf den Boden fiel, während Mom Morgans Jeanstaschen nach außen stülpte, war der Junge erst fünfzehn. Sie beugte sich vor und hob das eingerollte durchsichtige Ding auf. Mit gerunzelter Stirn warf sie einen Blick zu mir herüber, als würde sie sich fragen, ob ich wüsste, was das sei. Ich war zwölf und alt genug, um in der Schule Witze gehört zu haben und mir auf meine Art einen Reim darauf zu machen. Also verzog ich die Lippen zu einem angewiderten Grinsen, während meine Mutter den eigenwilligen Gummi zusammen mit den Knöpfen, Münzen und anderen Fundsachen in ihrer Schürzentasche verschwinden ließ. Als die ganze Wäsche draußen im Wind flatterte, öffnete Mom die Küchentür, die zum Fuß der Treppe führte. Gewöhnlich ging sie nur nach oben, um die Betten neu zu beziehen, aber das hatten wir bereits erledigt. Ich wartete ein paar Minuten, dann folgte ich ihr und schlüpfte in mein eigenes Schlafzimmer. Nachdem sie die Treppe wieder hinuntergegangen war, spähte ich ins Zimmer meiner Brüder. Dort lag das Kondom, mitten auf Morgans frisch bezogenem Kopfkissen.
    Ich hörte nie, dass Mom ihm gegenüber ihre Entdeckung auch nur mit einem Wort erwähnt hätte. Morgan war an jenem Tag beim Abendessen stiller als sonst. Er stand vor der Nachspeise vom Tisch auf und machte sich sogar noch vor Boyer auf den Weg zum Stall.
    Ich bin mir sicher, dass Mom in meiner Schmutzwäsche genauso mühelos las wie in der meiner Brüder.
    Sie wusste, wann ich im Sommer auf dem Heuboden gewesen war. Sie hatte eine krankhafte Angst vor Feuer, und obwohl sie sich mit Dad darin einig war, dass ihre Ängste übertrieben waren, folgte sie ihren Instinkten. Jeder tat das. Deshalb war es uns an den heißen Augusttagen, wenn das Heu eingefahren war, streng verboten, da oben zu spielen. Das war eine der wenigen Vorschriften, die sie erließ.
    Sie wusste, dass ich es war, die sich mit sieben Jahren in den Gemüsekeller geschlichen und drei Weckgläser mit Kirschen stibitzt hatte. Sie wusste, dass ich ein
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