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Millionär

Millionär

Titel: Millionär
Autoren: Tommy Jaud
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reicht mir Shahin mein Glas und friemelt die Alufolie vom Flaschenkopf.
    »Ganz einfach: jedem von uns zwei Millionen Euro geben für unsere Seite. Also wenn du auch damit einverstanden bist, dass wir verkaufen.«
    Shahin füllt mein Glas mit heufarbenem, prickelndem Champagner. Winzige Perlen steigen auf. Phil sagt immer, dass das ein gutes Zeichen ist. Trotzdem halte ich das Glas wie eine Handgranate. Irgendwie bin ich gerade ganz woanders. Warum passiert denn zwei Jahre lang nichts und dann alles in drei Wochen?
    »Simon. Sprich mir nach: vier Millionen Euro!«
    »Und das ist kein Fake, die Mail?«, fiepse ich.
    »Ich hab schon angerufen bei eBay. Es gibt einen McNaisbitt und er kommt am Mittwoch nach Köln. Okay. Nochmal, Simon. Sprich mir nach: vier Millionen Euro!«
    »V..ier ...«
    Ich komme mir, vor als spräche ich mein erstes chinesisches Wort.
    »Sehr gut. Vier Millionen ...«
    »Vier Millionen.«
    »Perfekt, Simon. Und jetzt noch >Euro<. Vier Millionen Euro.«
    »Vier Millionen . Euro!«
    Ich nehme einen Schluck Champagner, stehe auf und lockere mich ein wenig. Verfolgt von Shahins skeptischem Blick, lasse ich meine Schultern kreisen, bewege den Kopf von links nach rechts, nach vorne und nach hinten und schlage kurz auf einen virtuellen Punchingball. Dann atme ich tief durch und schaue Shahin in die Augen.
    »Ich hab ihn nicht umgebracht, oder?«
    »Nein!«
    Ich stelle meine Schlagbewegungen ein und setze mich auf Shahins Schoß.
    »Vier Millionen!«
    »Sag ich doch!«, grinst Shahin. »Und ... du bist schwer!«
    Ich bleibe trotzdem sitzen.
    »Hast du irgendeine verrückte persische Musik, auf die man tanzen kann?«
    »Ich könnte uns die Persian Dance Party von IranianRadio auf die Boxen streamen.«
    »Und hast du noch Champagner da?«
    »Zwei Flaschen. Warum?«
    Ich springe auf und rufe:
    »WEIL . WIR . VERKAUFEN!!!«
    Persische Diskomucke klingt genauso wie europäische, sie hat dazu noch den Vorteil, dass man die sicherlich dämlichen Texte nicht versteht - zumindest ich nicht. Wer auch immer uns durch die Schaufensterscheine beobachtet, muss uns für total bekloppt halten. Zu den unerwartet modernen DJ-Mixes bekannter persischer Dancehits springen und hüpfen wir zwischen den Rechnern umher, entwickeln die albernsten Tanzbewegungen und kippen schließlich aus Protest gegen Windows Vista eine ganze Flasche Moet in einen PC. Eine Gruppe Studenten bleibt staunend vor dem Schaufenster kleben, wir legen unsere Arme um die Schultern und tanzen zu den Beats von DJ Mansour. Zwei Flaschen Blubberbrause später lasse ich mit Shahin zusammen das Rollgitter vor der WebWorld runter. Wir umarmen uns noch einmal kurz und dann geht jeder seiner Wege. Er zu seiner Familie und ich zu Karstadt.
    Ich kaufe einen echt geilen dunklen Anzug und die passenden Schuhe dazu. Dann rufe ich nacheinander Flik, Phil und Paula an und lade sie ins El Gaucho ein. »Darf ich Jakob mitbringen?«, fragt Paula vorsichtig. »Es wäre mir ein großes Vergnügen!«
    mein neues leben xxl
    Für mich gibt es zwei verschiedene Arten von Kater: den Blitzkrieg-Kater und den Irak-Kater. Beim Blitzkrieg-Kater wacht man auf und weiß innerhalb einer Sekunde, dass man gleich vor der Schüssel kniet, um danach eine Großpackung Alka Seltzer in einem Eimer Wasser aufzulösen. Der Vorteil: Nach ein paar Stunden hat man diesen Kater meist im Griff und kann wenigstens mit einem Auge fernsehen.
    Ganz anders der Irak-Kater: Man wacht auf und freut sich schon, dass man keine größeren Schäden feststellt. Man denkt sich: »Ach, das hätte ich mir jetzt aber schlimmer vorgestellt nach all dem, was ich getrunken habe. Vielleicht kann ich ja am Nachmittag sogar noch joggen?«
    Einen Scheiß kann man. Warum? Zwei Gründe. Erstens: Der Irak-Kater wird völlig unterschätzt. Zweitens: Der Irak-Kater hört schon mal deswegen nicht so schnell auf, weil man seinen ganzen Körper durcheinander gebracht hat. Scheinbar verfeindete Krankheitsbilder verbünden sich mit anderen und schlagen genau dann zu, wenn man es am wenigsten erwartet. Der IrakKater ist ein postalkoholischer Super-Gau: Angeschossen schleppt man sich in Richtung Küche, um die Aspirin-Vorräte zu sichern, sieht aber den hämisch grinsenden Brechdurchfall nicht, der die ganze Zeit hinter dem Ikea-Regal gelauert hat. Ein Bild des Grauens ist es, wenn er einen auf halber Strecke erwischt. Selbst wenn man gegen Abend die Lage unter Kontrolle wähnt, kann es Rückschläge geben. Ich erinnere mich noch
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