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Millionär

Millionär

Titel: Millionär
Autoren: Tommy Jaud
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Sie geben mir zehntausend Euro, wenn ich mich in einem Krankenwagen wegbringen lasse?«
    Ich nicke.
    »Ohne, dass ich irgendwie krank bin in Wirklichkeit?«
    Ich nicke ein weiteres Mal.
    »Ich sag Ihnen mal was, das Sie genauso erstaunen dürfte wie all die schrecklichen Krawattenmenschen, die mir mein Haus abschwätzen wollen.«
    »Ich bin gespannt.«
    »Ich will hier gar nicht weg!«
    Ich räuspere mich.
    »Das ist jetzt, ehrlich gesagt, keine so große Überraschung.«
    »Vielleicht ist die Überraschung ja größer, wenn ich Ihnen sage, warum. Ich mag den ganzen Trubel, der hier veranstaltet wird um meine Person, verstehen Sie?«
    Ich schüttle den Kopf.
    »Vielleicht verstehen Sie's, wenn Sie mal so alt sind wie ich. Das Schlimmste ist nämlich die Langeweile. In irgendeinem Heim hocken und warten, bis man den Löffel abgibt. Das ist nix für mich. Hier hab ich jeden Tag meinen Spaß!«
    »Aber . hat man Ihnen nicht ein Heidengeld geboten, damit Sie gehen? Sie könnten sich was viel Schickeres kaufen am Rhein.«
    »Hab ich doch längst, junger Mann. Ja, glauben Sie denn, ich bin blöd? Ich hab den Krieg mitgemacht, die Wiedervereinigung und die Euro-Umstellung. Ich wohne doch längst draußen in Rodenkirchen und schau mir die Bötchen an am Abend. Oder was würden Sie tun, wenn Sie keine Enkel hätten und Ihre Freunde entweder schon tot sind oder Alkoholiker?«
    »Ja, weiß nicht ... - ehrlich gesagt, würde ich wahrscheinlich das Gleiche tun.«
    »Sehen Sie. Deswegen sind die Dinge so, wie sie sind. Am Tag hab ich meinen Spaß. Abends Ruhe und Bötchen. Hab übrigens schon getroffen mit dem Blumentopf.« Die Erinnerung an diesen Treffer scheint Herrn Karl ungemein zu amüsieren. Spitzbübisch zieht er an seiner Zigarre. »So ein gestriegeltes Jüngelchen im Anzug war das mit gegelten langen Haaren!« Herr Karl blickt auf das offenbar zu Ende gewedelte PolaroidFoto und reicht es mir. Ich sehe darauf aus wie ein verschreckter Vollidiot.
    »Danke. Also . verstehe ich das richtig? Dieser Kampf gegen die Dom Real Estate - Sie machen das nur aus Spaß?«
    »Richtig, junger Mann. Das ist so eine Art Steckenpferd. Es hat sich so ergeben, vor zwei Jahren ungefähr. Mist . ausgegangen.«
    Ein wenig umständlich zündet Montgomery Karl ein Streichholz an, hält es unter seine Zigarre und saugt kräftig daran.
    »Einen Anzugbubi nach dem anderen haben sie vorgeschickt, um mich zu beschwatzen. Die wollen dieses Haus unbedingt haben, wissen Sie?«
    »Ja. Weiß ich.«
    »Ich hab mir dann heimlich das Apartment in Rodenkirchen gekauft, für den Fall der Fälle. Bis es soweit ist, sitze ich hier und empfange meinen Besuch. Es kommt fast jeden Tag jemand her und trinkt Kaffee mit mir. Wissen Sie, der Oberbürgermeister war auch schon hier und einer von dieser Kölner Kapelle, die so heißt wie ein Klebstoff.«
    »BAP?«
    »Richtig. Nehme an, die haben schon was gekauft auf dem Gelände und jetzt kriegen sie Angst, dass es nicht gebaut wird. Ich kann die beschimpfen, wie ich will, und kriege trotzdem ein Geschenk nach dem andern. Prima, oder?«
    Respektvoll nicke ich. Wenn ein Drittel aller Menschen bekloppt ist, dann ist Herr Karl definitiv der Chef der Bekloppten. Ich kann es echt nicht fassen. Und irgendwie hab ich das Gefühl, dass ich auch so werden könnte, wenn ich mal alt bin.
    »Aber sagen Sie, junger Mann, wieso kriege ich die zehntausend Euro?«
    Ich erzähle Herrn Karl von unserer Problemseite und dass es für unsere Auftraggeber zumindest kurz so aussehen muss, als hätten wir uns bemüht, ihn zu vertreiben. Als Krönung des Ganzen lege ich zehntausend Euro in bar auf den Nierentisch. Herr Karl berührt sie kurz und denkt nach.
    »Die zehntausend könnte ich recht gut gebrauchen. Die Fahrerei zwischen meinen beiden Wohnungen geht ganz schön ins Geld.«
    »Heißt das, Sie machen mit?«
    »Für einen Spaß bin ich immer zu haben. Aber Sie lassen mich entscheiden, weswegen der Notarzt kommt, okay?«
    Ich lache und bin schrecklich erleichtert.
    »Okay. Wunderbar. Hätte ich nicht gedacht. Super!«
    »Wissen Sie was? Vielleicht haben Sie ja Lust, Ihr Foto nach oben zu hängen in mein kleines Devotionalien-Zimmer. Im Regal müssten noch ein halbes Dutzend von diesen Ikea-Rahmen sein. Ich würde uns derweil noch einen schönen Kaffee machen.«
    »Mach ich!«
    Neugierig gehe ich über eine knarzende Wendeltreppe nach oben. Als ich die Tür aufstoße, entfährt mir ein erstauntes »Nee, oder?«
    Die Wände sind nur so
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