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Milliardengrab (German Edition)

Milliardengrab (German Edition)

Titel: Milliardengrab (German Edition)
Autoren: Friedrich Strassegger
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Jahre würden bis dahin vergehen. Ferry hatte sich ausgerechnet,
dass er allein von dieser Geschichte in Würde und Anstand leben konnte.
    »Mein
Gott, kannst du dich noch erinnern, zu Weihnachten das Pressefoyer? Du hast dem
Bundeskanzler das Wort abgeschnitten!«
    »Richtig
… und was ist er heute: abgewählt! Ich bin noch immer auf der Bühne!« Sie
lachten herzlich bei diesen Erinnerungen.
     
    Hans
saß auf der Anklagebank. Er war nicht in Haft. Kurz darauf wurde Julia in den
Saal gebracht. Sie ging mit den Prothesen und wirkte ganz ruhig. Wer es nicht
wusste, der wäre nie auf die Idee gekommen, dass sie an beiden Beinen amputiert
war. Eine Justizwachbeamtin folgte ihr.
     
    Sie
war wunderschön - ein wenig abgemagert, aber eine attraktive, begehrenswerte
Frau. Der champagnerfarbene Hosenanzug und die Seidenbluse waren schlicht,
jedoch ausgesprochen chic. Ein Raunen ging durch den Saal, als sie auf Hans
zuging und ihn lange umarmte. Der Richter hatte ihr Handschellen erspart.
    Auf
der Geschworenenbank saßen vier Frauen und vier Männer. Julia erzählte die
Geschichte dieses verhängnisvollen Tages, ohne zu weinen oder sich zu
unterbrechen. Immer wieder betonte sie, dass sie Hans weinend gebeten hatte,
ihr zu helfen.
    »Ich
hatte Angst vor dem Gefängnis, ich war schwach und wollte die Folgen meines
Jähzorns nicht tragen. Es gibt keine Entschuldigung.«
    Hans
bestand darauf, dass dies alles sein Einfall gewesen war und er die
Konsequenzen dafür tragen werde. Jeder im Saal wusste, dass dies eine reine
Schutzbehauptung war, um Julia zu entlasten. Das Gericht hegte am Hergang der
Tat keine Zweifel. Nur eine Frage war noch nicht beantwortet. »Erklären Sie
bitte dem Gericht, wo ist der Leichnam von Nora Kaindel verblieben. Das Gericht
kann vom außerordentlichen Milderungsrecht nur Gebrauch machen, wenn das Geständnis
aufrichtig und umfassend ist!« Hans sah zur Richterbank und schwieg - das beherrschte
er ja.
    Da
bat sein Verteidiger, mit seinem Klienten sprechen zu dürfen.
    »Bitte,
Herr Rechtsanwalt.«
    Der
Anwalt stellte sich mit Hans etwas abseits und sprach beschwörend auf ihn ein.
    »Ich
warne Sie mit Nachdruck, wenn Sie weiter schweigen, dann wird die Strafe nicht
nur für Sie hart ausfallen, sondern besonders schwer wird es Julia Kaindel treffen.«
    Hans
nickte und wandte sich dem Gerichtshof zu. Er zupfte ein wenig am Sakko seines
verhassten Kammgarnanzuges herum, richtete das Mikro und begann zu sprechen.
    »Ich
bin ein gläubiger Mensch, mein Lebtag lang habe ich nicht so schwer gesündigt
wie an diesem schrecklichen Tag. Doch ich schäme mich deswegen nicht - ich
musste so handeln, es war keine Frage des Rechts oder der Moral, es war eine
Frage der Menschlichkeit - für mich wenigstens. Noch einen Umstand will ich dem
Gericht nicht verschweigen. Wenn es umgekehrt gewesen wäre, für Nora hätte ich
es nicht getan. Sie hat ihr Leben auf der Sonnenseite verbracht. Aber Julia,
die jetzt hinter mir auf dem Sünderbankerl sitzt, trägt von Kindheit an ein
schweres Los. Irgendwo muss es eine ausgleichende Gerechtigkeit geben. Doch ich
weiß, davon steht in ihren Gesetzbüchern natürlich kein Wort. Menschlichkeit
ist eben keine Sache für den Gerichtssaal.«
    Der
Vorsitzende unterbrach.
    »Angeklagter,
wir verstehen, dass es für Sie eine Tragödie ist … damit meine ich in diesem Zusammenhang
alles, auch den tragischen Vorfall am Bahndamm vor vierzig Jahren. Doch ich
muss Sie ermahnen, nicht abzuschweifen und ins philosophische zu verfallen.
Hier findet ein Strafprozess statt.«
    Hans
sah dem Richter in die Augen und ließ ein Nicken erkennen, dann fuhr er fort.
     »Ich
werde dem Gericht nun erzählen, was damals geschehen ist. Ich schicke gleich
voraus, es war mein Einfall und ich ganz allein habe dafür die Verantwortung zu
tragen!«
    Auch
Julia wusste nicht, was sich in dieser Nacht ereignet hatte. Hans hatte
geschwiegen - wie immer. Nicht ein Wort hatten sie nachher deswegen miteinander
gesprochen.

Wolfsthal im Sommer 1991
    Langsam
kroch der betagte VW-Passat über den Hohlweg. Hans benutzte nur das Standlicht.
Dichte Nebelschwaden krochen aus den Senken hervor und zogen in die panonische
Tiefebene weiter. Der Mond wurde immer wieder von dicken Wolken verhangen. Die
Szene war gespenstisch. Nichts davon nahm der traurige alte Mann wahr. Er war
ganz auf sein Vorhaben konzentriert, versuchte alle anderen Gedanken, die ihn
belasteten, zu verscheuchen. Im Heck des Wagens lag ein in
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