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Milchmond (German Edition)

Milchmond (German Edition)

Titel: Milchmond (German Edition)
Autoren: Herfried Loose
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griff zu seinem Jackett und schloss die Vertikaljalousien seines Bürofensters. Als er ging, war die Bürotür seines Partners geschlossen, und so verließ er die Kanzlei, ohne sich noch einmal von ihm zu verabschieden.
   Er fuhr mit dem Lift nach unten in die Tiefgarage, dabei fiel ihm ein, dass er vergessen hatte, die Rufumleitung seines Büro-Telefons einzuschalten. Innerlich fluchend, fuhr er noch einmal hinauf, denn er war zu sehr Strafverteidiger, als dass er sich vorstellen konnte, nicht jederzeit über das Handy für wichtige Anrufe seiner Mandanten zur Verfügung zu stehen.
   Sylvia teilte diese Handy-Manie mit ihm, da auch sie für ihren Sender in ständiger Erreichbarkeit bleiben musste. Wie oft hatten sie das schon verflucht, andererseits aber gestanden sie sich ein, dass sie es gar nicht anders kannten, als häufig rasch und entschlossen auf Anrufe reagieren zu müssen.
   Auf dem Weg nach Hause fuhr er noch bei der Reinigung vorbei, um seine Oberhemden abzuholen. Der Wochenendverkehr hatte voll eingesetzt und so brauchte er eine geschlagene halbe Stunde, um die vier Kilometer von der Kanzlei am Neuen Wall in seine Wohnung zu kommen.
   Als er heimkam, war Sylvia schon da. Er hängte die Hemden auf die Stange seines begehbaren Kleiderschrankes und entledigte sich seines Jacketts und seiner Krawatte. Sylvia lümmelte auf der Designer-Couch, die mitten im Raum stand und blätterte in einer Zeitschrift. Vor ihr dampfte eine Tasse Espresso auf dem Glastisch. Tobias bereitete sich auch einen an und bewaffnete sich mit einer Tüte Waffeln.

   »Endlich Wochenende«, sie hob ihm ihr Gesicht zu einem Begrüßungskuss entgegen.
   »Tja, verdient haben wir es uns.« Er küsste sie auf den Mund und ließ sich in den neben der Couch stehenden Sessel fallen. Geschickt streifte er sich die Schuhe von den Füßen. »Aaah, das tut gut!« Sein Glas in beiden Händen haltend, lehnte er sich zurück und schloss die Augen.
   »Erinnerst du mich daran, dass wir nachher, auf dem Weg ins Schauspielhaus, noch kurz bei Rita vorbei fahren? Sie hat ihr Handy in der Redaktion liegen lassen und ich habe ihr versprochen, es ihr heute Abend vorbeizubringen. Es liegt auf dem Weg, dauert nur fünf Minuten.«
   »Hast du alles?«, fragte er Sylvia während er die Wohnungstür verschloss.
   »Ja, Ritas Handy habe ich in der Handtasche, der Schirm ist hier und die Karten… hast du die dabei?«
   »Liegen an der Abendkasse bereit. Wir müssen aber zusehen, dass wir eine halbe Stunde vor Beginn dort sind, sonst werden sie anderweitig verkauft.«
   »Ich beeil mich bei Rita!«

Sie fuhren los. Der Regen hatte eine kurze Pause eingelegt. Der Wind war jedoch zum richtigen Herbststurm angewachsen. Sylvia dirigierte Tobias zu Ritas Adresse und stieg aus. Er wartete mit laufendem Motor vor dem Haus. Die Minuten verstrichen. Nervös trommelte er mit den Händen auf das Lenkrad. Dann griff er zu seinem Telefon und wählte ihre Nummer. Sie war sofort dran. »Wo bleibst du denn? Uns rennt die Zeit davon!«
   »Oh, ja, also... Fahr doch schon mal los, wegen der Kartenabholung! Ich muss mich noch um Rita kümmern. Ich hab noch nicht aus ihr herausbekommen, was eigentlich los ist. Sie sitzt hier und flennt herzzerreißend. Ich kann sie doch jetzt nicht allein sitzen lassen. Ich komme mit dem Taxi nach. Lass die Karte an der Kasse für mich hinterlegen, ja? Wir sehen uns. Sei bitte nicht böse, Schatzi. Bis nachher!«
   Sie legte auf. Das war ja wieder einmal typisch! Enttäuscht hieb er auf das Lenkrad. Er kannte diese Rita nur vom Hörensagen. Weiber! Na, schön, dann eben nicht. Fluchend fuhr er los und schaffte es knapp, rechtzeitig an der Kasse des Schauspielhauses zu sein, bevor die Kartenreservierung verfiel. Er bezahlte beide Tickets und ließ eines auf Sylvias Namen hinterlegen. Im Foyer überbrückte er die Wartezeit mit einem Glas Prosecco. Das kalte Getränk schmeckte richtig gut. Während er daran nippte verflüchtigte sich sein Unmut und er begann, sich auf die bevorstehende Vorstellung zu freuen.
   Was da wohl wieder für Katastrophen bei dieser ominösen Rita passiert sein mochten? Sicherlich Liebeskummer, nahm er an. Er kaufte sich ein Programmheft und machte sich mit dem Inhalt des Stückes vertraut. Unterdessen füllten sich die Plätze. Wie meistens, war auch diese Aufführung so gut wie ausverkauft. Er war nicht sicher, ob man Sylvia nach Beginn des Stückes vor der Pause
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