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Milchfieber

Milchfieber

Titel: Milchfieber
Autoren: Thomas B. Morgenstern
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können. Aber Hellas Erfahrung machte ihre Behinderung wett, sie wurde, fand er, im Gegenteil immer besser. Ihr Mann Friedel musste die erreichbaren Frauenzeitschriften durcharbeiten und ihr die interessanten neuen Rezepte so langsam vorlesen, dass sie sich die Einzelheiten merken konnte. Sie war dann in der Lage, die Rezepte nachzubacken und sie, falls sie ihr nicht logisch genug waren oder sie fand, sie seien zu einfallslos, so zu verbessern, dass Allmers bei ihr an übernatürliche Kräfte zu glauben begann.
    Dass sie sich entschlossen hatte, all ihre Rezepte aufzuschreiben, begeisterte ihn.
    „Das muss dann aber in einem richtigen Verlag erscheinen“, sagte er bestimmt. „Wenn es nur so ein Ringbuch werden soll, mache ich nicht mit. Davon gibt es genug, so etwas verkauft jeder Landfrauenverein an seinem Stand. Die heißen dann ‚Die besten Negerkusstorten‘ oder ‚Fröhliches Backen mit den Landfrauen‘. Kosten 1 Euro.“

Kapitel 6
    Sein Entschluss stand sofort fest, als er den Spaten sah. Er war unschlüssig an den Regalen vorbei durch den Landhandel geschlendert, hatte sich Gummistiefel, Beregnungssysteme und Fliegengitter angesehen. Als er den glitzernden Spaten sah, war es um ihn geschehen. Sein Stiel war etwas kürzer als gewöhnlich, das Holz war dunkelbraun gebeizt, mit glattem Lack überzogen und die Schneide war messerscharf. Er strich mit seinem Mittelfinger prüfend über das Metall und hätte sich fast geschnitten. Diesen und keinen anderen Spaten sollte Lissy bekommen. Er fand ihn wunderschön und er war genau das Richtige für den schweren Boden in ihrem Garten. Horst Winkler hatte ihn nicht sofort entdeckt unter der Vielzahl von Spaten, die angeboten wurden. Viele Modelle hingen nebeneinander in den Haken, es gab welche für sandige Böden, andere für das Moor und eben auch welche, die ideal waren für die tonig-klebrige Erde, die in seinem Garten zu finden war. Das Blatt hatte eine schlanke, elegante Form, war aus gebürstetem Stahl und sah aus wie handgeschmiedet. Winkler wusste, dass das ein Zeichen für Qualität war. Die so einladend blitzenden Edelstahlspaten musste man meistens nach kurzem Gebrauch in die Ecke stellen, sie waren stumpf geworden und ließen sich nicht mehr schärfen. Einen wirklich guten Spaten hingegen konnte man immer wieder so scharf schleifen, dass er jedes Mal mühelos in den harten, zähen und klebrigen Boden hineinglitt.
    Seit ihrem Einzug hatte sich Lissy um den vorher vernachlässigten Blumengarten gekümmert. Manchmal war sie fast an den für sie so ungewohnten Bodenverhältnissen verzweifelt. Trotzdem pflanzte sie das ganze Frühjahr Sträucher und steckte Zwiebeln, aus denen Blumen wuchsen, die Horst vorher noch nie gesehen, geschweige denn, dass er ihren Namen je gehört hatte. Sie hatte einen grünen Daumen, meinte er und fand, dass das gut zu seinem Bauernhof passte. Die vielen Tiere auf seinem Hof waren nicht ihre Welt, vor allen Dingen bedauerte es Horst Winkler, dass sie keine Schweine mochte. Die Pflanzen im Garten und auf den Fensterbänken aber gediehen prächtig, seit sie sich um sie kümmerte. Lissy war ein Goldstück. Und sie war in den Nächten sehr anschmiegsam, etwas, was er bisher nicht gekannt hatte. Sie war die erste Frau in seinem Leben, keine andere hatte sich bisher für ihn interessiert. Auf die kleinen Höfe wollten junge Mädchen nicht mehr einheiraten, zu viel Arbeit wartete da auf sie und zu wenig Einkommen. Selbst als Freund wollte keine der Dorfschönen Horst Winkler haben, sein Hof war nicht nur klein und altmodisch, er selbst war dazu so linkisch, dass sich die Mädchen hinter seinem Rücken eher über ihn lustig machten, als ihm begehrlich nachzusehen.
    Sein fünfunddreißigster Geburtstag hatte die Wende in seinem Leben gebracht. Nach dem Auftritt der Stripperin hatte er lange mit Peter Gerlach geredet und der hatte versprochen, ihm eine Frau zu besorgen. Und er hatte Wort gehalten.
    Dass Lissy keine Deutsche war, störte ihn nicht. Die Sache mit den Behörden werde er schon regeln, hatte Peter beiläufig gemeint, als er nach der erfolgreichen Verkuppelung die erste Rate der Bezahlung abholte. Spätestens kurz vor der Heirat werde er das schon hinkriegen, hatte er Horst beruhigt, da solle er sich mal keine Sorgen machen, er habe schon ganz andere Dinge geregelt.
    Wenn es mit den beiden klappen sollte, hatte Peter viertausend Euro für die Frau verlangt, tausend, wenn der Versuch schief gegangen wäre. Gerlach holte sich die
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