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Mieses Karma

Titel: Mieses Karma
Autoren: David Safier
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meine trüben Gedanken, denn hier standen über zweihundert Fotografen.
    Der Fahrer öffnete mir die Tür, ich kämpfte mich in dem engen Kleid so schnell wie möglich (also ungelenk und in Zeitlupe)
     aus der Limousine und stand in dem gleißendsten Blitzlichtgewitter meines Lebens. Die Fotografen schrien: «Hierher, Kim!»,
     «Schau zu mir!», «So ist’s sexy!» Es war irre. Es war aufregend. Es war ein Rausch!
    Bis hinter mir die nächste Limousine vorfuhr. Die zweihundert Objektive wandten sich wie auf Kommando von mir ab und fotografierten
     nun Verona Pooth. Ich war abgemeldet und hörte: «Hierher, Verona!», «Schau zu mir!», «So ist’s sexy!»
    Carstens und ich setzten uns auf unsere Plätze. Die Veranstaltung begann, und ich musste mir jede Menge geheuchelter Dankesreden
     anhören, bis Ulrich Wickert die Kategorie «Beste Moderation Informationssendung» ankündigte. Endlich! Es ging los! Mein Herz
     begann heftig zu pochen. Ungefähr so müssen sich Jetpiloten fühlen. Wenn sie die Schallgrenze durchbrechen. Und dabei per
     Schleudersitz aus dem |29| Flugzeug katapultiert werden. Und feststellen, dass sie den Fallschirm vergessen haben.
    Nach einer kurzen Ansprache, von der ich vor lauter Aufregung kein Wort mitbekam, verlas Wickert die Namen der Nominierten:
     «Daniel Kohn», «Sandra Maischberger» und «Kim Lange». Auf den Leinwänden im Saal sah man uns alle drei im Großformat, jeder
     um ein gelassenes Lächeln bemüht. Doch der Einzige, dem das überzeugend gelang, war Daniel.
    Wickert hob an: «Und der Gewinner in der Kategorie ‹Beste Moderation Nachrichtensendung› ist   …» Er öffnete den Umschlag und machte eine Kunstpause. Mein Herz raste noch mehr. Im Rekordtempo. In Richtung Herzstillstand.
     Es war nicht auszuhalten.
    Schließlich beendete Wickert die Kunstpause und sagte: «Kim Lange!»
    Es war, als hätte mich ein riesiger Hammer getroffen, nur ohne Schmerzen. Voller Euphorie stand ich auf und umarmte Carstens,
     der mir mal wieder in die Wange kniff.
    Ich gab mich dem Applaus hin.
    Das hätte ich nicht tun sollen.
    Vielleicht hätte ich dann das «Krittsschhh» gehört.
    Oder ich hätte mich gewundert, dass meine Intimfeindin Sandra Kölling lächelte. Dabei hätte doch eigentlich Tollwutschaum
     aus ihrem Mund blubbern müssen.
    Ich wurde aber erst stutzig, als ich auf dem Weg zur Bühne das erste Kichern hörte. Dann das zweite. Und das dritte. Immer
     mehr Leute kicherten. Und nach und nach schwoll all das Gekicher zu einem ausgewachsenen Gelächter an.
    Auf der ersten Treppenstufe zum Podium hielt ich inne und realisierte, dass sich etwas anders anfühlte. Irgendwie |30| luftig. Und auch hintenrum nicht so kneifend. Ich tastete vorsichtig mit der Hand an meinen Po. Das Kleid war gerissen!
    Und das war noch nicht alles: Um in das Kleid zu passen, hatte ich keine Unterhose angezogen.
    Ich zeigte also gerade tausendfünfhundert Prominenten meinen nackten Hintern!
    Und dreiunddreißig Fernsehkameras!
    Und damit sechs Millionen Zuschauern vor dem Fernseher!

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    4.   KAPITEL
    In diesem zweitmiesesten Moment des Tages hätte ich eigentlich cool auf die Bühne gehen müssen. Dort hätte ich einen guten
     Scherz über mein Malheur machen, etwa: «Anders kommt man heutzutage nicht auf Seite eins», und anschließend meinen Fernsehpreis
     genießen sollen.
    Leider fiel mir dieser Plan erst ein, als ich mich in meinem Hotelzimmer eingeschlossen hatte.
    Heulend warf ich mein andauernd klingelndes Handy ins Klo. Gefolgt von dem ständig bimmelnden Zimmertelefon. Ich war einfach
     nicht in der Lage, mit Journalisten zu reden. Oder mit Alex. Selbst Lilly wollte ich nicht sprechen, sie schämte sich bestimmt
     gerade höllisch wegen ihrer Mutter. Und ich schämte mich noch mehr, weil sie sich schämen musste.
    Und es würde garantiert noch schlimmer werden in den nächsten Tagen. Ich sah schon die Schlagzeilen vor mir: «Deutscher Po-Preis
     für Kim Lange!», «Sind Unterhosen out?» oder «Auch Stars haben Orangenhaut!».
    Da klopfte es an der Tür. Ich hielt inne. Wenn es ein Journalist |31| war, würde ich ihn ebenfalls ins Klo werfen. Oder mich.
    «Ich bin’s, Daniel.»
    Ich schluckte.
    «Kim, ich weiß, dass du da drin bist!»
    «Bin ich nicht», erwiderte ich.
    «Nicht sehr überzeugend», antwortete Daniel.
    «Stimmt aber», sagte ich.
    «Komm schon, mach auf.»
    Ich zögerte: «Bist du allein?»
    «Natürlich.»
    Ich überlegte, ging schließlich zur Tür und
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