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Midleifcrisis

Midleifcrisis

Titel: Midleifcrisis
Autoren: Leif Lasse Andersson
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euch ja in der Nähe eines Internetcafés.«
    Mein Anwalt nimmt mich um 20 Uhr noch dran, mein schlechtes Gewissen hält sich in Grenzen, ich glaube nicht, dass er irgendwo vermisst wird, wahrscheinlich kommt er einfach nur eine Stunde später in seine Stammkneipe.
    Wir rechnen die neue Wendung in meinem Leben durch. Im Moment sind meine Gesellschafteranteile im Thinktank wertlos, die Bilanzen der letzten drei Jahre sind tiefrot, und das ist alles, was bei der Bewertung durchs Gericht zählen wird. Elke gehört die Hälfte davon, die Hälfte von nichts ist immer noch nichts, und wenn wir uns beeilen, wird sie sehen, was sie davon hat, dass sie mich bescheißen wollte. Doch sobald Nottbohm und M&M den dicken Fisch an Land ziehen, ändert sich das und Elke macht richtig Kasse. Wichtig ist also, dass wir die Scheidung einreichen, ehe der Wert meiner Anteile explodiert. Der Anwalt setzt sich unverzüglich an seinen Computer, die Anwaltsgehilfinnen sind alle schon weg, dass er das Fax ans Familiengericht eigenhändig einlegt, rechne ich ihm hoch an. Das Ganze wird morgen per Post hinterhergeschickt, mit etwas Glück bekommt Elke in 14 Tagen vom Gericht meine Scheidungsklage zugestellt, und das wäre dann der Stichtag für meine ungeteilte Thinktank-Million.
    Diese zwei Wochen muss ich M&M hinhalten, also rufe ich noch aus dem Auto an, sage ihm, dass ich wirklich an der Firma hänge und an dem Projekt sowieso und dass ich nachdenken muss, dass ich zwei Wochen Urlaub will. Er stimmt sofort zu, und wenn mein Gefühl mich nicht trügt, werden sie sich hüten, den dicken Fisch an Land zu ziehen, solange zehn Prozent davon mir gehören.
    Zu Hause lege ich die Füße hoch und denke darüber nach, ob gut eine Million schon reicht, um nicht mehr arbeiten zu müssen, aber ich fürchte, das wird knapp.
    Es ist kurz nach zehn, Melanie fällt mir ein. Ich checke mein Postfach und denke: »Da bist du ja!«
    »Ich weiß nicht, warum ich das tue«, schreibt sie. »Meine Mädels sitzen nebenan in der Kneipe und haben Spaß und ich sitze in einem vermufften Internetcafé und warte auf ein arrogantes Arschloch. Ich muss komplett bescheuert sein!«
    »Single sein ist eben kein Streichelzoo«, schreibe ich zurück. »Was willst du wissen?«
    Die nächsten zwei Stunden senden wir uns in rascher Abfolge Nachrichten, und von der Aussicht auf ein neues Leben bin ich wie beflügelt. Ich bin wirklich brillant diesmal, und meine Laune steigt von Mail zu Mail.
    Dann geht Melanie ohne ihre Mädels nach Hause und wir skypen. Das gibt mir die Gewissheit, dass Melanie tatsächlich recht hübsch ist, sie darf sich derweil davon überzeugen, dass ich wirklich witzig, wortgewandt und einfallsreich bin, auch unter Echtzeitbedingungen.
    Um zwei Uhr morgens möchte Melanie telefonieren, ich habe nichts dagegen, denn meine Telefonstimme funktioniert erfahrungsgemäß recht passabel. Melanie ist Lehramtsstudentin mit den Fächern Sport und Germanistik, offenbar stört es sie nicht, dass ich ein alter Sack bin. Es funkt und es knistert ein wenig, und als ich sie frage, ob wir uns morgen treffen wollen, stimmt sie überraschenderweise zu. Wir verabreden uns an der Raststätte »Dammer Berge«, was ziemlich genau die Hälfte zwischen Hamburg und Dortmund ist und den Vorteil hat, dass das Restaurant sich auf einer Brücke befindet, die die gegenüberliegenden Rastplätze verbindet. Ich weiß, dass es Bullshit ist und dass ich einmal mehr Gefahr laufe, mich zu blamieren, aber bevor ich losfahre, gehe ich noch Blumen kaufen.
    Melanie ist vor mir da, sie sieht sehr, sehr süß aus, von der Figur her wirklich nur einen klitzekleinen Tick zu fraulich, aber dafür wirkt sie wie eine 22-Jährige, hat rehbraune Augen, und das entschuldigt nun wirklich eine Menge. Ich lege die Blumen zwischen uns auf den Tisch und sage: »Ach du Scheiße!«
    Melanie guckt kritisch und ich lege eine von diesen metrosexuellen LeiLa-Gesprächspausen ein.
    Sie verliert. »Und was soll das jetzt?«, fragt sie schließlich und kräuselt die Nase in extrem süßen Fältchen.
    »Du bist voll hübsch, genau wie auf den Fotos«, sage ich, »und jetzt hast du den Salat. Hast du keine Vase mit?«
    Ich habe sie schon wieder überrascht, sie lacht.
    Melanie und ich wälzen meinen Straßenatlas, fahren zum nächsten See, den wir finden können, und schlendern am Ufer entlang. Sie ist klein, nur 1,65 Meter groß, ich frage sie, ob sie von da unten die Wolken sehen kann, und sie boxt mir in die Seite. Sie
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